Forschung
Mittlerweile acht Forschungsgruppen sind derzeit am ELH angesiedelt. Dabei verteilen sich die Forschungsschwerpunkte und Expertisen dieser Gruppen auf sehr unterschiedliche Fach- und Einsatzgebiete, und ermöglichen somit eine sowohl komplementäre, als auch synergistische Zusammenarbeit. Durch das enge interdisziplinäre und internationale Zusammenwirken der Forschungsgruppen können am ELH technische, methodische und medizinische Fragestellungen der 7-Tesla UHF-MRT übergreifend untersucht werden – ein Alleinstellungsmerkmal des Instituts, welches das ELH nicht zuletzt zu einem der weltweit führenden Zentren für die UHF-MRT Forschung und Anwendung macht. Die Forschungsschwerpunkte splitten sich dabei auf sehr unterschiedliche und sich dennoch ergänzende Disziplinen und Felder.
Methoden & Technologien – die UHF-MRT fit für den Klinikalltag machen
Ein Hauptaugenmerk des ELH liegt auf der Weiterentwicklung der UHF-MRT. Mit dem Ziel, die hochauflösende Magnetresonanztomographie für die klinisch-diagnostische Bildgebung nutzbar zu machen, widmen sich verschiedene Forschungsgruppen am ELH der Entwicklung und Erforschung nicht nur von neuer Technologie, sondern auch deren Anwendungsmethoden.
Hochfrequenztechnologie
Die Forschungsarbeit der Gruppe von Prof. Dr. Mark E. Ladd (Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg) beschäftigt sich mit der Entwicklung von Methoden und Technologien, die 7-Tesla-Untersuchungen im gesamten Körper einschließlich des Rumpfs ermöglichen sollen. Im besonderen Fokus liegen dabei:
- Hochfrequenz (HF)-Anregungsantennen mit mehreren, voneinander unabhängigen Elementen,
- numerische Simulationen in inhomogenen menschlichen Körpermodellen, um die Verteilung des Sendemagnetfeldes (B1), sowie auch die damit einhergehende Körpererwärmung (SAR) zu untersuchen; dies auch in der Gegenwart von elektrisch leitenden Implantaten und
- Hochfrequenz-Anregungsstrategien, um eine gleichmäßigere Verteilung des B1-Feldes oder räumlich selektive Anregungen/Sättigungen zu erzielen.
In Kooperation mit der Gruppe von Prof. Dr. Harald H. Quick wird zudem im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts (Deutsche Ultrahochfeld-Bildgebung/German Ultrahigh Field Imaging, GUFI) standortübergreifend an Qualitätssicherungsstandards für die MR-Bildgebung bei sehr starken Magnetfeldern gearbeitet.
Darüber hinaus entwickeln und erforschen das ELH in Essen, das DKFZ in Heidelberg und die Hochfrequenztechnik in Duisburg (Prof. Dr. Klaus Solbach) als Teil einer Kooperation ein bisher weltweit einziges 32-Kanal-HF-Sendesystem. Da bisherige 7T UHF-MRT Systeme maximal 16 unabhängige HF-Sendekanäle bieten, leisten die Gruppen hier echte Pionierarbeit. Bis April 2017 wurde das Projekt vom Europäischen Forschungsrat durch den (ERC) Advanced Grant „MRexcite“ finanziert.
Hochfrequenzantennen und diagnostische Anwendungen
Die Arbeitsgruppe Hochfeld- und Hybride MR-Bildgebung unter der Leitung von Prof. Dr. Harald H. Quick entwickelt und evaluiert neue Techniken und Methoden zur Erweiterung des klinischen Einsatzspektrums der 7-Tesla Ultrahochfeld-Magnetresonanztomographie (7T UHF-MRT). Konkret werden neue Mehrkanal-HF-Sende-/Empfangsspulen sowie Methoden zur Signalhomogenisierung für die 7T Neuro- und Körper-UHF-MRT simuliert, entwickelt und aufgebaut. Ziel ist es, das hohe Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) der UHFMRT maximal auszuschöpfen und damit eine möglichst hohe funktionelle und räumliche Detailauflösung für verschiedene Anwendungen der „Brain & Body UHF MRI“ zu erzielen. Die Forschungsgruppen von Prof. Harald Quick und Prof. Mark E. Ladd (DKFZ Heidelberg) forschen hierzu in enger Kooperation.
Weitere aktive Kooperationen bestehen mit verschiedenen klinischen Anwendern der 7T UHF-MRT aus dem Universitätsklinikum Essen. In klinischen Vergleichsstudien werden die Vor- und Nachteile der 7T UHF-MRT mit der klinischen MRT bei 1,5 und 3-Tesla evaluiert. Innerhalb des Erwin L. Hahn Instituts profitieren die Forschungsgruppen mit Neuro- Schwerpunkt von neuen HF-Kopfspulen und Methoden. Die hochaufgelöste onkologische MRT-Bildgebung kann mit neuen HF-Körperspulen verbessert und auf weitere Körperbereiche (Thorax, Abdomen, Becken) ausgedehnt werden, hierzu besteht eine aktive Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Dr. Tom W. J. Scheenen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe Hochfeld- und Hybride MRBildgebung ist die Sicherheit in der Anwendung der MRT auch bei Patienten mit passiven und aktiven Implantaten.
Krebsdiagnostik
Auf die Weiterentwicklung der MR-Bildgebung und -Spektroskopie für onkologische Anwendungen, und deren Überführung in eine klinisch relevante Verwendung, hat sich die Forschergruppe von Dr. Tom W. J. Scheenen spezialisiert. Die Forschungsarbeiten reichen von der Entwicklung neuer HF-Spulentechnologie und Bildgebungssequenzen für die 7-Tesla UHF-MRT über die Erforschung neuer in-vivo Biomarker zur Beurteilung der Krebs- Aggressivität, insbesondere von Prostatakrebs, bis hin zu großen Patientenstudien. Ausgehend von den herausragenden Forschungsergebnissen zur Prostata-Diagnostik soll zukünftig das Spektrum der Krebsdiagnostik mittels 7-Tesla UHF-MRT auch auf die Visualisierung von kleinsten Metastasen verschiedener Tumoren weiter ausgedehnt werden.
Hochauflösende Neurobildgebung
Dr. Koopmans‘ Ziel ist es, die räumliche Detailschärfe in der Neurobildgebung (fMRT & DWI) zu verbessern. Hochauflösende MRTMessungen stellen die Leistungsfähigkeit des Scanners vor einige Herausforderungen. Im Vergleich zu Standard-MRTs werden in der UHF-MRT 10 bis 100 mal mehr näher zusammen liegende Datenpunkte akquiriert. Ein großer Teil von Dr. Koopmans‘ Forschung widmet sich daher der Beschleunigung des Verfahrens, sowohl auf der signalanregenden Seite (Mehrband-RF-Pulse, die mit den Ultrahochfeld- Magnetfeldstärken kompatibel sind) als auch in der Signalrekonstruktion (Parallele Bildgebungs-Techniken).
Der zweite Fokus der Gruppe liegt auf einem speziellen Anwendungsbereich der hochauflösenden fMRT: Dem Abbilden von einzelnen Schichten in der Großhirnrinde. Ein konventionelles fMRT (ca. 2–3 mm Präzision) kann die weniger als 1 Millimeter dicken Schichten nicht einzeln abbilden. Unterstützt durch das Emmy-Noether-Programm der DFG will Dr. Koopmans als einer der Pioniere im Bereich schichtenspezifisches fMRT nun die Bildgebungsmethoden verbessern, und ein schichtenspezifisches Analyse-Tool und Signalmodelle entwickeln. Als Beweisgrundlage für seine Arbeit dient das Feld der Schmerzbildgebung. Hier sollen die Schichten der Großhirnrinde Einsicht in die Prozesse der Informationsverarbeitung im Gehirn und im Rückenmark liefern.
Funktionelles MRT – den Menschen in den Kopf schauen
Während die bereits vorgestellten Arbeitsgruppen schwerpunktmäßig direkt „am“ 7 Tesla MRT arbeiten und sich mit der technischen Weiterentwicklung und Anwendung beschäftigen, forschen die anderen am ELH angesiedelten Arbeitsgruppen vorwiegend im Bereich der funktionellen MRT (fMRT), welche die Darstellung der Hirnaktivität ermöglicht und so zum Beispiel Denkprozesse nachvollziehbar macht.
Neurospektroskopie
Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Gehirn und mittels MRT-Protonenresonanzspektroskopie nachweisbar. Allerdings wird das schwache Signal durch die Signale anderer Metabolite überlagert. Der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. David Norris ist es gelungen, Techniken für die 7-Tesla MRT-Spektroskopie zu implementieren, mit denen das GABA-Signal detektiert werden kann.
Die Arbeit der Forschungsgruppe gliedert sich in zwei Teile: Die Verbesserung der Messmethoden, und die Anwendungen hauptsächlich auf dem Gebiet der Diabetesforschung. Im Bereich der Messmethoden wird angestrebt, die Experimente gegen unerwünschte aber unvermeidbare Variationen in den statischen- und radiofrequenz-magnetischen Feldern robuster zu machen. Durch die Entwicklung neuer Methoden zur Messung der relativen Verteilung von Metaboliten zwischen weißer und grauer Substanz soll das Anwendungsgebiet erweitert werden. Ebenfalls steht auch die Verbesserung der Quantifizierung durch die Korrektur des unerwünschten Makromoleküle-Signals am GABA-Signal im Fokus. In der Diabetesforschung wird zudem der Zusammenhang zwischen Gedächtnisleistung und GABA-Konzentration in bestimmten Gehirnarealen untersucht.
In einer gemeinsamen Studie mit dem Deutschen Diabetes-Zentrum konnte gezeigt werden, dass Diabetiker eine schlechtere Gedächtnisleistung erbringen als gesunde Probanden, und dass die Leistung mit der GABA-Konzentration im medialen präfrontalen Gehirn korreliert. Im Precuneus, ein anderes für das Gedächtnis wichtiges Areal, war keine Korrelation zu sehen.
Entscheidungs- und Verhaltenssuchtforschung
Mit neuralen Korrelaten kognitiver und emotiver Prozesse beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Matthias Brand. Besonders im Fokus stehen hierbei die Beeinflussbarkeit von Entscheidungen durch Emotionsverarbeitungsprozesse, die Mensch-Technik-Interaktion, sowie die neurobiologischen und neuropsychologischen Grundlagen von Verhaltenssüchten, wie Internetsucht oder Kaufsucht. Vorrangig werden dabei Hirnreaktionen auf die Konfrontation mit suchtassoziierten Reizen und deren Bedeutung für das subjektiv empfundene Verlangen adressiert. Die Verwendung der UHF-MRT am Erwin L. Hahn Institut ermöglicht aufgrund der hohen Magnetfeldstärke und damit einhergehend der guten räumlichen Auflösung, auch eine Binnendifferenzierung in einzelnen Hirnstrukturen, wie beispielsweise der Amygdala oder dem ventralen Striatum. Zudem ermöglicht das 7-Tesla MRT-System für die skizzierte fMRT-Forschung auch das Sichtbarmachen von Aktivierungen in kleinen Strukturen, die mittels 1.5- oder 3.0-Tesla MRT gar nicht oder nur mühsam darstellbar sind.
Funktionsweise des Kleinhirns
Auch für die Erforschung des Kleinhirns bringt die hohe Feldstärke des MRTs am Erwin L. Hahn Institute erhebliche Vorteile: So wird die Untersuchung der in der Tiefe des Kleinhirns gelegenen Kleinhirnkerne erst durch die Nutzung der 7-Tesla UHF-MRT wesentlich verbessert und für bestimmte Fragestellungen überhaupt erst möglich. Anders als viele Jahre angenommen unterstützt das Kleinhirn nicht nur motorische und Lernprozesse, sondern spielt auch als Modulator in sehr vielen anderen Bereichen einschließlich bestimmten kognitiven Funktionen, Emotionsverarbeitung und Schmerz eine Rolle, und rückt damit zunehmend ins Interesse der Neurowissenschaften.
Die Arbeitsgruppe Experimentelle Neurologie unter Leitung von Frau Prof. Dr. Timmann-Braun nutzt die UHF-MRT zum einen zur strukturellen Darstellung der Kleinhirnkerne sowohl bei Gesunden als auch bei Patienten mit bestimmten Erkrankungen des Kleinhirns (sogenannten Ataxien), und zum anderen für funktionelle MRTUntersuchungen. Im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs (SFB 1280 Extinction Learning; Sprecher: O. Güntürkün, RUB, Ko- Sprecherin: D. Timmann-Braun) stehen aktuell Untersuchungen zur Bedeutung des Kleinhirns für die Extinktion von gelernten Furchtantworten im Vordergrund. Obwohl man schon lange weiß, dass das Kleinhirn für das Erlernen von Assoziationen einschließlich der Furchtkonditionierung eine Rolle spielt, ist über seine Bedeutung für die Fähigkeit zum Verlernen (Extinktion) nur wenig bekannt. Extinktionsvorgänge spielen eine große Rolle bei Angsterkrankungen, sowie wahrscheinlich auch bei chronischen Schmerzerkrankungen. Frau Timmann-Braun überprüft zusammen mit Herrn H.-H. Quick mittels UHF-MRT die Hypothese, dass das Kleinhirn im an der Extinktion beteiligten neuronalen Netzwerk bei der Extinktion von erlernter Furcht eine wichtige Rolle spielt.
Schmerzforschung
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ulrike Bingel nutzt die hochaufgelöste MRT-Bildgebung des Hirnstamms und des Rückenmarks, um die Zusammenhänge zwischen bestimmten subkortikalen Arealen und der weiteren Schmerzverarbeitung im Rückenmark zu untersuchen. Die Erforschung der Schnittstelle zwischen Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem und den kognitiven Neurowissenschaften steht dabei im Vordergrund. Hierzu werden die Mechanismen der individuellen Schmerzempfindung, der Anfälligkeit gegenüber der Chronifizierung von Schmerz, sowie die Fähigkeit zur Schmerzmodulation unter bestimmten kontextuellen Umständen untersucht. Methodisch kommt hierbei die strukturelle und funktionelle MRT-Bildgebung in Kombination mit pharmakologischen und psychophysikalischen Ansätzen zum Einsatz. Die Untersuchungen erfolgen an gesunden Probanden und an Patientengruppen, die unter chronischen Schmerzen oder neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise unter Parkinson leiden. Gegenwärtige Untersuchungen dienen dem Verständnis von interindividuellen Unterschieden in dem Ansprechen auf Placebo- Effekte bei pharmakologischen Therapien, um das Therapiemanagement weiter zu verbessern.