Fakultät für Mathematik

Analysis/Numerik/Optimierung

Die Forschung im Bereich Analysis/Numerik/Optimierung deckt ein weites Feld mathematischer Fragestellungen ab, die in der Regel mit Eigenschaften von Lösungen nichtlinearer Probleme, meist in Form partieller Differentialgleichungen, zu tun haben. Oft haben diese einen konkreten Bezug zu Anwendungen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, woraus auch konkrete Forschungskooperationen mit Wissenschaftler*innen aus anderen Fakultäten gewachsen sind. Unter anderem betrifft dies Anwendungen in der Festkörpermechanik, wo wir mathematisch abgesicherte Methoden zur Modellierung und Simulation des Materialverhaltens entwickeln, auf die von den Ingenieurskolleg*innen zurückgegriffen wird. Bei der Mehrzahl der Arbeitsgruppen weist die Forschungsarbeit Bezüge zu mehreren der drei Fachgebiete Analysis, Numerik und Optimierung auf. Die daraus resultierende methodische Breite führt zu einer umfassenden Behandlung der Problemstellungen und wird durch enge Kooperationen zwischen einzelnen Arbeitsgruppen noch verstärkt. Unterstützt durch das 2015 eingerichtete UA Ruhr Zentrum für partielle Differentialgleichungen namens ruhr.paD wird diese Zusammenarbeit derzeit auch zu den benachbarten Universitäten aus Bochum und Dortmund intensiviert.

Eine Thematik, die in den vergangenen Jahren zunehmend ins Zentrum des mathematischen Forschungsinteresses gerückt ist, sind Variationsungleichungen. Beispielsweise lassen sich Minimierungsaufgaben unter Nebenbedingungen in dieser Form schreiben und so der mathematischen Behandlung zugänglicher machen. Die Nichtlinearität der Problemstellung ergibt sich hierbei bereits durch die Tatsache, dass die zulässige Menge nicht durch einen kompletten Vektorraum gegeben ist.

Eine dritte Möglichkeit, solche Fragestellungen zu analysieren, besteht in der Formulierung als Komplementaritätsproblem: Auf einem Teil des Definitionsbereichs sind Nebenbedingungen aktiv, auf der Komplementärmenge müssen dann die herkömmlichen Bedingungen für das Vorliegen eines Minimums erfüllt sein.

Unter anderem mit diesem Problemkreis beschäftigt sich seit Herbst 2016 das DFG-Schwerpunktprogramm SPP 1962 mit dem Titel „Non-smooth and Complementarity-based Distributed Parameter Systems: Simulation and Hierarchical Optimization“, an dem unsere Fakultät gleich mit vier Arbeitsgruppen (Clason, Rösch, Starke und Yousept) mit geförderten Teilprojekten beteiligt ist und welches von Prof. Arnd Rösch mitinitiiert wurde. Dadurch untermauert unsere Fakultät ihre führende Stellung in diesem Bereich.

Das gemeinsame Projekt von Christian Clason und Arnd Rösch behandelt die Parameteridentifikation bei Mehrphasenprozessen mit Anwendungsbezug in so unterschiedlichen Bereichen wie Klimaforschung (Wolkenbildung, Gletscherschmelze), Materialwissenschaften (Kristallwachstum, Stahlvergütung) und Festkörpermechanik (Kontakt, Schädigung).

Irwin Yousept beschäftigt sich in seinem Projekt mit einem Optimierungsproblem im Zusammenhang mit den Maxwell-Gleichungen zur Beschreibung elektromagnetischer Felder. Dabei geht es um die analytische und numerische Behandlung eines nichtglatten hyperbolischen PDE-Modells, das den Magnetisierungsprozess von Supraleitern zweiter Art beschreibt.

In einem gemeinsamen Projekt zu reibungsbehaftetem Kontakt elastischer Festkörper arbeitet die Arbeitsgruppe von Gerhard Starke gemeinsam mit dem von Rolf Krause geleiteten Institute of Computational Science der Università della Svizzera italiana in Lugano. Dabei werden neuartige spannungsbasierte Finite-Element-Ansätze für die auftretenden Quasi-Variationsungleichungen entwickelt.

Die vier an diesem Schwerpunktprogramm beteiligten Arbeitsgruppen bringen dabei ihre Expertise aus unterschiedlichen mathematischen Teilgebieten ein und können sich so, begünstigt durch eine regelmäßige Seminarreihe, die räumliche Nähe und eine Vielfalt internationaler Kontakte, gegenseitig unterstützen.

Darüber hinaus beschäftigt man sich in der Arbeitsgruppe „Inverse Probleme“ von Prof. Clason seit 2015 im Rahmen eines D-A-CH-Kooperationsprojektes gemeinsam mit den Projektpartnern in Würzburg und Klagenfurt mit der Regularisierung und Diskretisierung von inversen Problemen für partielle Differentialgleichungen in Banachräumen; diese Problemklasse umfasst insbesondere Parameteridentifizierungsprobleme mit struktureller a-priori-Information („sparsity“, Ganzzahligkeit etc.).

In der AG Rösch wurde ein MERCUR-Projekt zum Thema „Optimale Steuerung mechanischer Schädigungsprozesse“ gemeinsam mit den Kollegen Christian Meyer (Mathematik, TU Dortmund) und Klaus Hackl (Ingenieurwesen, RU Bochum) erfolgreich abgeschlossen.

Die bereits bestehenden wissenschaftlichen Kooperationen zwischen der Arbeitsgruppe von Prof. Yousept und des Mathematischen Departments der Chinesischen Universität Hongkong (CUHK) wurden durch verschiedene Aktivitäten, wie einem erfolgreichen Antrag auf ein Alexander-von-Humboldt-Forschungsstipendium für Postdoktoranden sowie die Initiierung eines gemeinsamen Projekts im Bereich der numerischen Analyse der Maxwell-Gleichungen, verstärkt.

Im September 2016 fand in Essen ein Workshop zum Thema „Optimal Control Meets Inverse Problems“ mit 33 Teilnehmer*innen statt, der von Christian Clason, Arnd Rösch und Irwin Yousept gemeinsam organisiert wurde.

In der AG Starke wird seit 2014 im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 1748 „Reliable Simulation Techniques in Solid Mechanics“ ein gemeinsames Projekt mit dem Institut für Mechanik der UDE bearbeitet, in dem spezielle Finite-Element-Diskretisierungen für finite elasto-plastische Deformationen entwickelt werden. Methodisch steht auch hier die Entwicklung geeigneter Finite- Element-Ansatzräume zur Approximation der Spannungen im Mittelpunkt. Bedingt durch die geometrische und materielle Nichtlinearität der betrachteten Prozesse wird sowohl die analytische als auch die numerische Behandlung wesentlich schwieriger.

Diese Problematik ist auch zentraler Gegenstand der Forschung der Arbeitsgruppe „Nichtlineare Analysis und Modellierung“ von Prof. Patrizio Neff. Ein Schwerpunkt liegt dabei im Auffinden einer geeigneten Form der zu minimierenden elastischen Energie für isotrope nichtlineare Elastizitätsmodelle. Hier konnte eine differential-geometrische Charakterisierung der Verzerrungsenergie als geodätischer Abstand des Deformationsgradienten zur Rotationsgruppe entdeckt werden.

In der Arbeitsgruppe von Georg Weiss wurden im von der DFG geförderten Projekt „Singularities of ElectroHydroDynamic Equations“ in den ElektroHydroDynamischen Gleichungen auftretende Singularitäten mit analytischen Methoden erforscht. Dazu stand mit Dr. Smit Vega Garcia eine erfahrene Postdoktorandin aus den USA zur Verfügung. Außerdem arbeitet Prof. Weiss in Kooperation mit Sagun Chanillo von unserer Partner-Universität Rutgers an der Analyse der freien Oberfläche von Neutronensternen.

Prof. Christoph Scheven hat eine internationale Zusammenarbeit mit zwei Wissenschaftlerinnen von der Università di Napoli „Federico II“ begonnen sowie bestehende Kontakte mit der Seoul National University zu einer erfolgreichen Kooperation genutzt. Aus beiden Forschungsprojekten sind Arbeiten zu Regularitätsfragen für nichtlineare parabolische Differentialgleichungen entstanden. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt waren Hindernisprobleme mit linearem Wachstum, wobei insbesondere mit Kooperationspartnern aus Salzburg und Erlangen ein Existenzresultat zu Hindernisproblemen zum Totalvariationsfluss erzielt werden konnte.

Die Regularitätstheorie nichtlinearer Differentialgleichungen ist auch ein aktuelles Forschungsthema der Arbeitsgruppe von Prof. Andreas Gastel. Dort werden im Rahmen eines DFG-Projektes elliptische Systeme mit kritischer Nichtlinearität in dieser Hinsicht untersucht.

In der Arbeitsgruppe von Prof. Petra Wittbold wurde die erfolgreiche wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Universitäten in Pau und Marseille auf dem Gebiet der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen mit stochastischer Störung fortgeführt. Während des Berichtzeitraums waren zudem zwei Postdoktoranden aus Brasilien für insgesamt zwölf Monate in der Arbeitsgruppe zu Gast mit Forschungsprojekten zur „Asymptotik von Lösungen nichtlinearer partieller Differentialinklusionen“.

Geometrische und analytische Aspekte von Variationsproblemen und nichtlinearen Differentialgleichungen, die durch physikalische oder geometrische Fragestellungen motiviert sind, werden in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Dierkes untersucht. Dabei handelt es sich beispielsweise um Eindeutigkeits- bzw. Regularitätsfragen für verallgemeinerte Flächen vorgeschriebener Krümmung. Im Rahmen eines 2016 abgeschlossenen Promotionsvorhabens wurden optimale Regularitätsaussagen für eine Klasse singulärer Differentialgleichungen hergeleitet.

Geometrische partielle Differentialgleichungen stehen auch in der Arbeitsgruppe von Paola Pozzi im Mittelpunkt, wobei neben den analytischen auch numerische Fragestellungen behandelt werden. In internationaler Zusammenarbeit wurden Resultate u.a. zur Langzeitexistenz des Flusses elastischer Kurven bei verschiedenen Randbedingungen und zur Analysis eines numerischen Modells für elastische eingebettete Kurven erzielt. Hervorzuheben sind die von Prof. Pozzi in Zusammenarbeit mit Björn Stinner von der University of Warwick erzielten Ergebnisse.

Dabei geht es um erste Fehlerabschätzungen für Diskretisierungen von gekoppelten Systemen, die beispielsweise in der Biologie vorkommen. Hier wird die Bewegung einer geschlossenen Kurve (idealisierte Zelle) an die Lösung einer parabolischen partiellen Differentialgleichung gekoppelt, die auf der Kurve zu lösen ist und die wiederum selbst von der Evolution der Kurve beeinflusst wird. Systeme solcher Art sind für Anwendungen relevant; eine rigorose numerische Analysis dafür ist in der Regel technisch sehr aufwendig.

Der AG Kraus gelang es im Jahr 2016, außerordentlich effiziente Löser für stabile Diskretisierungen der Darcy- und Brinkman-Gleichungen zu entwickeln, die bei der Simulation von Strömungen in porösen Medien zum Einsatz kommen. Dabei geht es um die Konstruktion und um die Konvergenzanalyse optimaler und robuster Mehrgitterverfahren, deren Konvergenzverhalten unabhängig von Sprüngen der Permeabilität ist. Ein am Johann Radon Institut in Linz/Österreich angesiedeltes (und weiterhin von Prof. Johannes Kraus geleitetes) Forschungsprojekt beschäftigte sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit a posteriori-Fehlerabschätzungen für die (nicht-lineare) Poisson-Boltzmann-Gleichung. Letztere dient der Beschreibung des elektrostatischen Potentials biologischer Makromoleküle.

In vielen Bereichen wirtschaftlicher Aktivität ist es fast nie möglich, Entscheidungen unter kompletter Kenntnis aller relevanter Eingangsgrößen zu treffen. Es gibt so gut wie immer Entscheidungen, die in die Zukunft reichen und dort Bedingungen erfüllen müssen, deren Gestalt sich erst dann ergibt. Mit der Optimierung solcher Aktivitäten befasst sich die stochastische Optimierung, das hauptsächliche Forschungsgebiet der Arbeitsgruppe von Prof. Rüdiger Schultz. Die Arbeitsgruppe ist in der projektbezogenen Forschung fest etabliert. Neben der Mitarbeit in den von der DFG geförderten strukturierten Programmen GRK 1855 und TRR 154 sowie einem Projekt der Hadamard-Stiftung ist hier ein von der Mercator-Stiftung gefördertes, 2015 erfolgreich abgeschlossenes Kooperationsprojekt zur Logistik mit dem Fraunhofer-Institut Dortmund und der TU Dortmund zu nennen. Im Rahmen dieser Forschungsvorhaben wurden in den Jahren 2015 und 2016 drei Mitglieder der AG promoviert.

Kooperationen auf Arbeitsgruppenebene, die sich in ersten Publikationen niedergeschlagen haben, verbinden die AG mit Prof. Volker Krätschmer und der AG Belomestny aus unserer Fakultät, mit PD Dr. René Henrion vom Weierstraß-Institut Berlin, Prof. Martin Gugat, Universität Erlangen, Profs. Sergio Conti und Martin Rumpf, beide Universität Bonn, mit Dr. Ward Romeijnders von der Universität Groningen und Prof. David Woodruff, University of California at Davis. Von besonderer Bedeutung für die AG ist das breite Engagement in dem im Herbst 2014 angelaufenen DFG-Sonderforschungsbereich Transregio TRR 154 „Mathematische Modellierung, Simulation und Optimierung am Beispiel von Gasnetzwerken“.