Geisteswissenschaften
Menschenrechte, Citizenship, Teilhabe am Raum
Mit den Menschenrechten scheint ein universelles Normensystem zu existieren, das überkulturell und übernational geteilt und akzeptiert wird und das auch marginalisierten Gruppen eine rechtliche Grundlage bietet, auf die sie sich gegenüber Regierungen und anderen starken Akteuren berufen können. Dass der Bezug auf die Menschenrechte im konkreten Konfliktfall jedoch verschärfend wirken kann, zeigt das Projekt Grundlegende politische Konflikte und die Rolle der Menschenrechte. Der Fall der Amazonasregion (Prof. Andreas Niederberger, Philosophie). Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass dieser Bezug die Aufspaltung betroffener Akteure in unterschiedliche Interessen- und Rechtsparteien verstärkt: Er suggeriert absolute Ansprüche, die die Verhandlung verschiedener Interessen nahezu unmöglich macht. Inwieweit sind die Auseinandersetzungen um das Belo-Monte-Kraftwerk paradigmatisch für die Entwicklung politischer Konflikte? Welche Bedeutung haben sie für die theoretische und normative Analyse? Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist der Austausch der Beteiligten bei gegenseitigen Besuchen in Brasilien bzw. Deutschland und die Teilnahme an Workshops und Konferenzen. So besuchte die brasilianische Menschenrechtsaktivistin und Professorin für Menschenrechte Paula Arruda den von Prof. Niederberger mit organisierten internationalen Workshop The End of Citizenship? am Käte Hamburger Kolleg, der sich mit aktuellen Fragen und Entwicklungen zu diesem zentralen Ideal moderner politischer Theorie befasste.
Mit Citizenship in Bezug auf den öffentlichen Raum befasst sich das Promotionsprojekt Spatial Citizenship: Mündige Raumaneignung als Antwort auf intersektionale Exklusionserfahrungen im Kindesalter. Auch Spatial Citizenship beruft sich mit seiner emanzipatorischen Zielsetzung auf die Menschenrechte. Jana Pokraka (Betreuerin: Prof. Inga Gryl, Geographie/Sachunterricht) stellt diesem Ansatz folgend die Frage, wie Kinder dazu befähigt werden können, sich Räume mündig anzueignen und an sozialen Aushandlungsprozessen zu deren Nutzung und Inwertsetzung zu partizipieren. Das Projekt regt Kinder mittels Tablet-gestütztem Mapping dazu an, die Wahrnehmung ihrer Alltagsräume, ihre räumlichen Praktiken, Inklusions- und Exklusionserfahrungen und Wünsche an die Gestaltung des Stadtraums zu visualisieren und zu kommunizieren. Erweitert wird der Spatial-Citizenship-Ansatz um die Intersektionalitätstheorie. So können neben der Kategorie ‚Alter‘ individuelle Formen der Exklusion und Diskriminierung entlang sich beeinflussender Differenzlinien wie Gender, Religion, Milieu oder ‚Race‘ betrachtet und der Analyse geöffnet werden.
Chancengleichheit und Demokratisierung waren die politischen Schlagworte der Bildungsdebatten in den 1960er/70er Jahren. In der Hochschulpolitik in NRW standen sie in Auseinandersetzung mit raumplanerischen Vorstellungen, nach denen das Land als zusammenhängender Raum nicht mehr in Funktionsräume aufgeteilt werde sollte. ‚Entballung‘ der Zentren und die Regionalisierung des Hochschulwesens bei effizienter Nutzung vorhandener Strukturen waren die Ziele der Zeit. So sollte dem Fachkräftemangel entgegengewirkt, die Integration der Landesteile und die Inklusion ihrer Einwohner vorangetrieben werden. Die von den Planern diagnostizierten „hochschulleeren Räume“ wollte man zur „Hochschullandschaft“ transformieren. Das Dissertationsprojekt Die Transformation „hochschulleerer Räume“ zur „Hochschullandschaft.“ Das Gesamthochschulkonzept Nordrhein-Westfalens untersucht die Umsetzung der Hochschulreform im Kontext zeitgenössischer Perspektiven auf den Raum (Timocin Celebi M.A., Historisches Institut; Betr.: Prof. Ute Schneider, Förderung: DFG).