Algebraische Geometrie und Arithmetik – Das Graduiertenkolleg „Symmetrien und klassifizierende Räume“
Im Graduiertenkolleg „Symmetrien und klassifizierende Räume: analytisch, arithmetisch und deriviert“, das in diesem Jahr an unserer Fakultät eingerichtet wurde, arbeiten die Arbeitsgruppen des Essener Seminars für Algebraische Geometrie und Arithmetik, die von Massimo Bertolini, Ulrich Görtz, Daniel Greb, Georg Hein, Jochen Heinloth, Jan Kohlhaase, Marc Levine, Ursula Ludwig, Andreas Nickel und Vytautas Paskunas geleitet werden, zusammen, um die reichhaltigen Schnittstellen der Forschungsprojekte der AG gezielt für die Doktorand*innenausbildung in einem außerordentlich dynamischen Gebiet zu nutzen.
Symmetrien und die Klassifikation geometrischer Objekte sind Kernthemen der Mathematik und insbesondere der verschiedenen Ausrichtungen der algebraischen Geometrie, der klassischen algebraischen Geometrie, komplexen Geometrie, arithmetischen Geometrie, derivierten algebraischen Geometrie und anderer Gebiete im Grenzbereich zwischen algebraischer Geometrie, Analysis und Topologie. Im Mittelpunkt unserer Forschung stehen Gruppen, die in unterschiedlichen Ausprägungen Symmetrien geometrischer, analytischer oder zahlentheoretischer Objekte beschreiben und klassifizierende Räume – also Räume, die alle möglichen Strukturen eines gegebenen Typs parametrisieren. Die beiden Themen sind oft eng miteinander verbunden.
In den letzten Jahren hat es hier enorme Fortschritte gegeben, z.B. durch die Theorie der perfektoiden Räume, im Bereich des Langlands-Programms, der Birch/Swinnerton-Dyer-Vermutung und im Bereich des Minimalen-Modell-Programms. Durch die Entwicklung neuer Methoden entwickelt sich das Gebiet schnell weiter und neue Durchbrüche sind zu erwarten. Für junge Mathematiker*innen handelt es sich daher um ein vielversprechendes Forschungsgebiet für den Beginn einer eigenen Karriere, angesichts der Vielfalt der Methoden ist es für Doktorand*innen besonders nützlich, an einem Ort zu arbeiten, an dem Expertise für viele der verschiedenen Sichtweisen vorhanden ist. In Essen können wir Nachwuchswissenschaftler*innen eine solche stimulierende Umgebung anbieten, die Doktorand*innen in der Übergangsphase vom Studieren zum Forschen unterstützt und ihnen ermöglicht, in einem faszinierenden Gebiet der Mathematik Fuß zu fassen.
Einige Beispiele zu Resultaten der AG, die zu diesem Projekt beigetragen haben, möchten wir hier skizzieren und dabei insbesondere einige Schnittstellen zwischen den AG hevorheben. Ein grundlegendes Problem der Zahlentheorie ist die Konstruktion ganzzahliger oder rationaler Lösungen von Gleichungen. Die Birch/Swinnerton-Dyer Vermutung formuliert hierfür einen Zusammenhang zwischen der Struktur der rationalen Lösungen und analytisch definierten Invarianten der zu Grunde liegenden Eigenschaften. Um diesen mysteriösen Zusammenhang zu verstehen, scheint es unabdingbar, Methoden zur Konstruktion von arithmetischen Lösungen mit Hilfe analytischer Objekte zu entwickeln. In der AG von Prof. Bertolini wurden hierfür neue Resultate für sog. p-adische L-Funktionen bewiesen.
In der AG von Prof. Paskunas ist es ebenfalls mit p-adischen Methoden gelungen, neue globale, arithmetische Resultate gewinnen, hierbei wurde zusätzlich die lokale Geometrie von klassifizierenden Räumen gewisser Darstellungen genutzt. Diese klassifizierenden Räume haben formal große Ähnlichkeiten mit Räumen von Darstellungen von geometrisch definierten Gruppen, die in den Arbeiten der Arbeitsgruppen der Professoren Greb, Hein und Heinloth studiert werden. Hierbei tritt in beiden Situationen das Problem auf, dass die globale Geometrie der Probleme häufig Pathologien aufweist, die aus unterschiedlichen Perspektiven zu Stabilitätsbedingungen an die parametrisierten Objekte führt. Erstaunlicherweise liefern hierbei analytische Beschreibungen, die häufig in Termen von Stabilitätsresultaten für Lösungen gewisser Differentialgleichungen formuliert werden können, oftmals Bedingungen, die auch rein algebraisch verstanden werden können. Zum Verständnis des Zusammenhangs zwischen diesen Stabilitätsbedingungen und der Geometrie der Parameterräume konnten hier Resultate gezeigt werden, die es erlauben, das Studium von Stabilitätseigenschaften auf wenige Schlüsselbedingungen zu reduzieren. Da die so erhaltenen Räume häufig Singularitäten aufweisen, ist es schwieriger, diese mit analytischen Methoden zu behandeln. In Arbeiten von Dr. Ursula Ludwig wurde dieses Hindernis studiert und um fundamentale analytische Methoden für interessante Klassen von Singularitäten erweitert.