Stadtforschung

Das Stadtbild frühneuzeitlicher Städte im Alten Reich und anderen Ländern Europas war von zahlreichen Texten geprägt. Neben flüchtiger Schriftlichkeit gehörten hierzu Inschriften auf unterschiedlichen ‚festen‘ Trägern. Darin wurden Wissensbestände verdichtet dem Stadtraum eingeschrieben. Das Projekt „Die geschriebene Stadt – Das Wissen städtischer Inschriften in der Frühen Neuzeit“ nimmt einerseits die Funktionen dieser Inschriften, andererseits die Historizität der darin materialisierten Aussagen in den Blick. Wie konstituieren an Objekte gebundene Wissensbestände Wirklichkeit und generieren Bedeutung? Hintergrund ist die Vorstellung von der Stadt als Text und von städtischen Inschriften als Form kultureller Sinnstiftung. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Dr. Teresa Schröder-Stapper (Historisches Institut) in ihrem von der DFG geförderten Vorhaben dabei der ordnungsstiftenden Funktion von Inschriften in Raum und Zeit in einer vermeintlich unübersichtlichen Stadt. Ziel ist die Entschlüsselung des internen wie externen Verweissystems städtischer Inschriften, ihres zeitgebundenen urbanen Codes. Dazu werden verschiedene kulturwissenschaftliche Ansätze verknüpft. Insbesondere mit der Anwendung von Ideen der Urban Semiotics auf einen historischen Untersuchungsgegenstand und der Verbindung mit der Praxis-Theorie betritt das Projekt Neuland.

Das ebenfalls von der DFG geförderte Dissertationsprojekt „Eine »active promotion of the European ideal«? Europabezüge in deutsch-britischen Städtepartnerschaften“ (Nina Szidat, Historisches Institut/Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Betreuerin: Prof. Ute Schneider) untersucht den Stellenwert solcher Bezüge im Spannungsfeld politischer, ökonomischer und diplomatischer Interessen anhand ausgewählter Partnerschaften zwischen Kommunen in Westdeutschland und Großbritannien. Die Zeitgeschichtsforschung konzentrierte sich bisher v.a. auf das ‚Europa der Institutionen‘. Das Projekt leistet dagegen einen Beitrag zur Erforschung des ‚gelebten Europa‘. Seit 1955 zeichnet der Europarat Städte für ihren Einsatz um die europäische Idee mit dem Europapreis aus, für dessen Erhalt von Anfang an Aufbau und Pflege von Städtepartnerschaften ein wichtiger Aspekt waren. Um die Zusammenhänge zwischen europäischen Institutionen und städtischen Interessen zu beleuchten, dient er quasi als Sonde. Damit auch die potenziell außenpolitische Dimension von Städtepartnerschaften fokussiert werden kann, werden ostdeutsch-britische Städtepartnerschaften als Vergleichsebene hinzugezogen. Ausgehend von der Beobachtung, dass bei der Partnerwahl und Ausgestaltung der Partnerschaften städtische Eigenlogiken zu Tage treten, fragt das Projekt nach den Aushandlungsprozessen zwischen lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene.