Der Reiz der Ferne
1582 präsentierte der brandenburgische Kammergerichtsrat Adam von Schlieben seinem Dienstherrn, Kurfürst Johann Georg von Brandenburg, ein kalligraphisch gestaltetes und mit Goldstaub bestreutes Schreiben in arabischer Schrift als „Empfehlungsschreiben“ des marokkanischen Sultans Ahmed Al-Mansur. Schlieben hatte es von seinen Reisen durch Europa, ins Osmanische Reich und nach Marokko mitgebracht. Aus dem arabischen Text geht jedoch hervor, dass er nicht an Johann Georg, sondern an Philipp II. von Spanien adressiert war. Da niemand den Originaltext verstand, konnte Schlieben ihn nach seinen Interessen auslegen. Schlieben verdankte seiner Reiseerfahrung über die nächsten 15 Jahre mehrere Gesandtschaften für die Mark Brandenburg und die Berufung zum kurfürstlichen Rat, später zum Geheimrat. Das Dissertationsprojekt von Ato Quirin Schweizer (Historisches Institut/Geschichte der Frühen Neuzeit) „Der Reiz der Ferne. Die Funktionalisierung und Vermittlung von Reiseerfahrung im Fürstendienst in der Frühen Neuzeit“ (Betreuer: Prof. Stefan Brakensiek) untersucht, wie er und andere weitgereiste Zeitgenossen, die Amts- und Würdenträger wurden, ihre Reiseerfahrungen über materielle Reisezeugnisse aller Art inszenierten und als kulturelles Kapital für den sozialen Aufstieg nutzten.