Forschung

In den Jahren 2018 und 2019 sind mit dem SFB/TRR 247 „Heterogene Oxidationskatalyse in der Flüssigphase“ und dem SFB/TRR 270 „HoMMage – Hysterese-Design magnetischer Materialien für effiziente Energieumwandlung“ gleich zwei neue Sonderforschungsbereiche/Transregios gestartet bzw. bewilligt worden, die von CENIDE-Mitgliedern zum erheblichen Teil getragen werden. Zusammen mit dem seit 2016 bestehenden SFB 1242 „Nichtgleichgewichtsdynamik kondensierter Materie in der Zeitdomäne“ wirken CENIDE-Mitglieder nun in drei SFB/TRR maßgeblich mit und sind in einem weiteren mit sechs Teilprojekten engagiert.

Die weiteren Highlights aus den sechs CENIDE-Forschungsschwerpunkten werden im Folgenden knapp dargestellt:

Dynamische Prozesse in Festkörpern:

Biologische, chemische und physikalische Prozesse finden meist rasend schnell und auf kleinstem Raum statt. Im SFB 1242 „Nichtgleichgewichtsdynamik kondensierter Materie in der Zeitdomäne“ wird diese Dynamik in Festkörpern, auf Oberflächen oder in Nanostrukturen mit höchster Zeitauflösung untersucht. Dazu nutzen die Forscher*innen die „Pump-Probe-Technik“: Zum Zeitpunkt Null wird das zu untersuchende System über einen ultrakurzen und intensiven Laserpuls angeregt. Anschließend fällt es in seinen Grundzustand zurück. Bevor dies geschieht, wird sein momentaner Zustand durch einen zweiten ultrakurzen Impuls untersucht, z.B. durch Messung der optischen Absorption. Dies wird mit zeitlich immer größerem Abstand zwischen Anregung und Abfrage wiederholt, um Momentaufnahmen des Systems zu erhalten, die zusammengelegt einen ultraschnellen Prozess abbilden. Zweidimensionale Materialien bieten einen interessanten Spielplatz für die Untersuchung solcher Nicht-Gleichgewichtsdynamiken. Weitere Beispiele für die Forschung innerhalb des SFB sind die Datenspeicherung mit neuen Phasenwechselmaterialien und die Aufnahme in Superzeitlupe von Plasmonwellen auf der Femtosekundenskala. In der nächsten Förderperiode wollen die Forscher*innen noch einen Schritt weitergehen und ihren Fokus von der Beobachtung mehr auf die Steuerung der Dynamik der Prozesse verlagern.

Gasphasensynthese von Nanomaterialien:

Die Gasphasensynthese von funktionellen Nanomaterialien ist ein langjähriger Schwerpunkt von CENIDE. Die Arbeit reicht vom Verständnis der Grundlagen bis zur Entwicklung von Prozessen, die für die industrielle Produktion skalierbar sind. Experimente, Modellierung und Simulation sind eng miteinander verknüpft, um die zugrunde liegenden Prozesse zu verstehen.

Die DFG-Forschungsgruppe (FOR) 2284 „Modellbasierte skalierbare Gasphasensynthese komplexer Nanopartikel“ widmet sich der Synthese komplexer nanostrukturierter Materialien aus gasförmigen und verdampften Vorläufern. „Komplex“ bedeutet hier, dass die Materialien nicht nur in ihrer Zusammensetzung, Größe und Kristallstruktur einheitlich sein sollten. Darüber hinaus sollen sie auch über definierte sekundäre und tertiäre Strukturen verfügen wie Kern und Schale, unterschiedliche Porosität sowie verschiedene Oberflächenstrukturen.

Alternativ zur Verwendung gasförmiger Vorläufer untersuchen die Mitglieder des DFG-Schwerpunktprogramms (SPP) 1980 „Nanopartikelsynthese in Sprayflammen SpraySyn: Messung, Simulation, Prozesse“ sprayflammenbasierte Synthesemethoden, insbesondere zur Erzeugung mehrwertiger Oxide. Als Grundlage für die koordinierte Forschung im SPP haben die CENIDE-Forscher*innen ein Standardexperiment, den SpraySyn-Brenner, entwickelt, der inzwischen an rund 20 Labore weltweit verteilt wurde (siehe Abbildung S. 22). Die Untersuchung der Sprayflammensynthese von Nanopartikeln an einem gut definierten Standardbrenner ermöglicht es, einen umfassenden Datensatz mit verschiedenen etablierten und neuartigen Messmethoden zu erstellen.

Katalyse:

Mehr als 80 % aller chemischen Produkte entstehen mithilfe katalytischer Prozesse. Aber auch für neue Anwendungen in der Energieumwandlung und -speicherung, z.B. in Brennstoffzellen, sind leistungsfähige Katalysatoren essenziell. Innerhalb von CENIDE liegt der Fokus auf der Synthese und Charakterisierung von hochaktiven, selektiven und stabilen Nanomaterialien für die heterogene Katalyse. Ziel ist es, die Mechanismen zu verstehen und darauf aufbauend Hochleistungskatalysatoren zu identifizieren und gezielt herzustellen.

Die Katalyse-Forschung in CENIDE wird von zwei großen Drittmittelprojekten angeführt: Dem im Juli 2018 gestarteten DFG-geförderten Sonderforschungsbereich/Transregio (SFB/TRR) 247 „Heterogene Oxidationskatalyse in der Flüssigphase“ und dem BMBF-geförderten Projekt KontiKat, das den Aufbau einer kontaminationsfreien Prozesskette für Katalysatoren auf Basis der gepulsten Laserablation zum Ziel hat.

Im SFB/TRR 247 arbeiten die Universität Duisburg-Essen, die Ruhr-Universität Bochum, das Max-Planck-Institut (MPI) für Kohlenforschung, das MPI für chemische Energiekonversion und das Fritz-Haber-Institut zusammen. Gemeinsam wollen sie die aktiven Zentren und Mechanismen von Oxidationsreaktionen an der Fest-Flüssig-Grenzfläche besser verstehen. Dieses Wissen kann genutzt werden, um neue hochwertige Katalysatoren für katalytische Prozesse unter günstigen Bedingungen zu entwickeln.

Magnetische Materialien:

Im November 2019 konnte die UDE zusammen mit der TU Darmstadt den neuen Sonderforschungsbereich/Transregio (SFB/TRR) 270 „HoMMage – Hysterese-Design magnetischer Materialien für effiziente Energieumwandlung“ einwerben. Die Wissenschaftler*innen arbeiten gemeinsam an neuen Verfahren zur Produktion innovativer Magnetmaterialien, indem sie nur einzelne Atome verändern, aber auch ganze Werkstücke verformen und umgestalten. Künstliche Intelligenz hilft dabei, die Suche nach den vielversprechendsten Materialkombinationen und die Entdeckung neuer geeigneter Werkstoffe zu beschleunigen.

Eines der Forschungsthemen sind magnetokalorische Materialien, bei denen – vereinfacht ausgedrückt – die Temperatur eines Werkstoffes gezielt über ein Magnetfeld verändert werden kann. Auf diese Weise ließen sich Kühlschränke und Klimaanlagen leise, mit sehr geringem Energieeinsatz und ohne klimaschädliche Gase betreiben. Mit dieser Technologie beschäftigen sich die Forscher*innen auch innerhalb des Schwerpunktprogramms (SPP) 1599 „Caloric Effects in Ferroic Materials: New Concepts for Cooling“. Die Verschmelzung von Grundlagenforschung und Materialforschung mit hohem Anwendungspotenzial bildet die Basis für eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie in diesem Themenbereich.

Nanomaterialien für die Gesundheit:

Biomaterialien sind natürliche oder künstliche Stoffe, die mit biologischen Systemen in Berührung kommen. CENIDE beschäftigt sich mit der Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Materialien, Oberflächen, Partikeln und Makromolekülen: von der Zerstörung von Krankheitserregern und Krebszellen bis hin zur Bildung sich selbst entwickelnder Strukturen. Dabei wirken sechs CENIDE-Mitglieder entscheidend im SFB 1093 „Supramolekulare Chemie an Proteinen“ mit. Dieser Sonderforschungsbereich wendet neueste Erkenntnisse und Methoden der supramolekularen Chemie an, um die spezifische Interaktion mit Proteinen durch künstliche Liganden zu erreichen.

So wird eine heilungsfördernde Beschichtung neuronaler Implantate mit biokompatiblen metallischen Nanopartikeln entwickelt, die zudem die Akzeptanz des körperfremden Materials erhöht.

Um die Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger (MRE) mit „Guided Nanorockets“ geht es in einem anderen Projekt. Die „Nanoraketen“ sind mit antibakteriellem Nanosilber ausgestattet, das sie lokal freisetzen und damit Bakterien zerstören, Körpergewebe jedoch unbeschädigt lassen.

Neue Nanomaterialien wie fluoreszierende Calciumphosphat-Nanopartikel eignen sich hingegen für zelluläre mikroskopische Aufnahmen. Sie können mit anderen Molekülen über Click-Chemie gebunden werden und dienen so zum Targeting oder als Therapeutikum. So ebnen sie den Weg für multimodale theranostische Nanopartikel. Ebenfalls für die Theranostik (= Therapie + Diagnostik) können bei CENIDE neuentwickelte Magnetit-Gold-Nanohybride verwendet werden. Sie zeigten sich in der Magnetresonanztomographie kommerziellen Kontrastmitteln überlegen und bieten zudem einen 2-in-1-Service: Sie lassen sich zusätzlich zum Fluoreszenzfarbstoff für die Bildgebung noch mit Medikamenten beladen, die ganz gezielt lokal freigesetzt werden können. Darüber hinaus ist es CENIDE-Forscher*innen gelungen, den ersten nanoantibiotikaspezifischen Resistenzmechanismus zu identifizieren und damit eine Erklärung zu geben, warum Nanoantibiotika eine verminderte Aktivität in klinisch relevanten Umgebungen aufweisen.

Nanotechnologie in Energieanwendungen:

Die nachhaltige Bereitstellung nutzbarer Energie und insbesondere deren Speicherung und Umwandlung gehören zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – CENIDE arbeitet daran. Innerhalb des Forschungsschwerpunktes werden verschiedene Ansätze für nanoskalige Materialien in Bezug auf Batterien, Brennstoffzellen, Photovoltaik, Thermoelektrik und Lichtemitter aus theoretischer, Synthese- und Verarbeitungssicht untersucht. Im Folgenden einige Highlights:

In einer Kooperation mit dem Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) wurden hochreine Nanopartikel per Laserablation erzeugt, die einen direkten Kontakt zum Kohlenstoffträger und damit eine sehr gute Leitfähigkeit ermöglichen. Damit wurde ein Demonstrator einer Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle gebaut und unter realistischen Bedingungen getestet. Im Vergleich zu einem kommerziell erhältlichen Referenzkatalysator zeigte er eine verbesserte Katalysatorstabilität und -aktivität.

Auch wurde aus der Gasphase entstandenes Graphen erfolgreich eingesetzt, um die bereits hervorragende Leistung von Gasphasen-synthetisierten Silizium-Nanopartikeln für Lithium-Ionen-Batterieanoden weiter zu verbessern. Tests ergaben, dass das Gasphasengraphen Langzeitstabilität und Effizienz des Verbundwerkstoffs im Vergleich zu reinem Silizium signifikant verbessert.

Thermoelektrizität spielt eine wichtige Rolle bei der Energieumwandlung und der Rückgewinnung von Abwärme. CENIDE-Wissenschaftler*innen erforschen neue Mechanismen zur Verbesserung der Thermoelektrik von Übergangsmetalloxiden und deren Heterostrukturen durch leistungsstarke Computersimulationen. Die Forscher*innen zeigten, dass der Übergang von Metall zu Isolator in bestimmten Perowskit-Übergittern zu einer stark verbesserten thermoelektrischen Reaktion führt.

Lichtemittierende elektrochemische Zellen (LECs) sind vielversprechend für großflächige flexible Beleuchtungslösungen. Allerdings verhindert der Mangel an tiefblauen Strahlern, die gleichzeitig effizient, hell und langzeitstabil sind, die Bildung von weißen, alltagstauglichen LECs. CENIDEs-Forscher*innen ist es erstmals gelungen, QLEC-Bauteile (QLEC = Quantenpunkt-LEC) mit homogener weißer Lichtemission herzustellen.