Institut für Politikwissenschaft (IfP)
Als eines der größten politikwissenschaftlichen Institute Deutschlands und in der Forschungsleistung auf Nr. 2 in NRW (Academic Ranking of World Universities (ARWU)/Shanghai-Ranking für Politikwissenschaft 2018) konnte sich das IfP in den letzten Jahren in den folgenden Forschungsschwerpunkten mit herausragenden Ergebnissen weiter profilieren: Wahl- und Parteienforschung, Politikmanagement, Regierungsforschung und digitaler Wandel, Internationale Beziehungen und Global Governance einschließlich Friedens- und Entwicklungsforschung, Politische Steuerung, Governance- und Verwaltungsforschung, Area-Studies und vergleichende Politikwissenschaft, Fachdidaktik Sozialwissenschaften und politische Bildung sowie Politische Theorie.
Im Bereich Wahlen- und Parteienforschung untersucht Prof. Achim Goerres derzeit mit Förderung der DFG anlässlich der Bundestagswahl 2017 „das Wahlverhalten von Deutschen mit Migrationshintergrund“. Mit dieser Studie wird es erstmals möglich sein, differenzierte Aussagen über das Wahlverhalten von Migrant*innen verschiedener Migrationsgruppen und -generationen in Deutschland zu treffen. Zudem leitet in diesem Forschungsschwerpunkt Prof. Andreas Blätte das DFG-Projekt „Die populistische Herausforderung in den Parlamenten“, das fundierte Erkenntnisse zur Rolle der AfD in den Landtagen und der durch sie hervorgerufenen Veränderungen verspricht. Diese Erkenntnisse werden auch für die international vergleichende Forschung über populistische Parteien bedeutsam sein.
An der Schnittstelle zwischen den Forschungsschwerpunkten Wahlen- und Parteienforschung einerseits und Politikmanagement, Regierungsforschung und digitaler Wandel andererseits untersucht seit 2017 die Nachwuchsgruppe „Digitale Parteienforschung“ unter Leitung von Prof. Christoph Bieber und Dr. Isabell Borucki die digital induzierten Veränderungen von Parteien im Rahmen der NRW-Förderlinie „Digitale Gesellschaft“. Besonders nennenswert in diesem Bereich ist auch das PolMine-Projekt von Prof. Andreas Blätte, das speziell die Aufbereitung von Plenarprotokollen des Bundestags für maschinelle Auswertungen verfolgt. Durch die Registrierung des Projekts als Zentrum des europäischen Verbunds CLARIN (Common Language Resources and Technology Infrastructure) ist am Standort Duisburg-Essen eine nachhaltige und europaweit sichtbare digitale Forschungsinfrastruktur geschaffen worden.
Der Forschungsschwerpunkt Internationale Beziehungen und Global Governance einschließlich Friedens- und Entwicklungsforschung ist derzeit unter anderem mit zwei laufenden DFG-Projekten vertreten. Unter der Leitung von PD Dr. Daniel Lambach (seit Oktober 2018 DFG-Heisenbergstipendiat in Frankfurt) wird seit 2015 im Projekt „Non-Violent Resistance and Democratic Consolidation“ anhand von Revolutionen und Umbrüchen untersucht, wie sich gewaltlose Widerstandsformen langfristig auf demokratische Konsolidierung auswirken. Dr. Miquel Pellicer forscht seit 2017 im Projekt „The Demand Side of Clientelism“ zu den entwicklungstheoretischen Implikationen klientelistischer Politikstrukturen.
Die Forschung zu Politischer Steuerung, Governance- und Verwaltungsforschung wird derzeit etwa im Rahmen des Fortschrittkollegs FUTURE WATER vorangetrieben. Das Zukunftskolleg ist ein interdisziplinäres Verbundprojekt mehrerer Hochschulen in NRW, das explizit den Umgang mit Wasser als eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit untersuchen soll. Gefördert vom damaligen NRW-Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) wird am IfP ein politikwissenschaftlicher Beitrag zum Gesamtprojekt die Politikgestaltung in der Wasserwirtschaft erforscht (Prof. Nicolai Dose).
Zusammen mit Peter Krumpholz erforscht Prof. Susanne Pickel im vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Projekt „Linke Militanz und Antisemitismus in heterogenen Jugendmilieus: Analyse – Zugänge – Maßnahmen“ die Entwicklung von zugangserschließenden Ansätzen zum uneinheitlichen Milieu linker und linksextremer Gruppierungen, in denen sich vornehmlich Jugendliche und junge Erwachsene organisieren. Es wird untersucht, ob ein überlappendes Feindbildspektrum („Querfront“) mit dem Rechtsextremismus vorzufinden ist und ob übereinstimmende Wahrnehmungen gefühlter Ungerechtigkeit vorliegen, die es aus Sicht der betreffenden Personen unter Anwendung von Gewalt auszumerzen gilt.
Im Forschungsbereich Area-Studies und vergleichende Politikwissenschaft analysiert und typologisiert Prof. Thomas Heberer in einem gemeinsam von der DFG und dem französischen DFG-Pendant ANR geförderten Projekt „(Neu) Ansprüche politischer Repräsentation: eine globale Perspektive (Frankreich, Deutschland, Brasilien, China, Indien)“ in fünf ausgewählten Ländern neue Formen politischer Repräsentation aus vergleichend-globaler Perspektive. Die Forschung im Duisburger Teilprojekt konzentriert sich am Fallbeispiel Chinas auf die politische Repräsentation neuer sozialer Gruppen und neue Formen politischer Repräsentation durch digitale Technologien und Formate.
Die fachdidaktische Forschung am IfP kommt beispielhaft in der Beteiligung von Prof. Sabine Manzel an dem BMBF-geförderten Projekt „Professionalisierung für Vielfalt“ zum Ausdruck. Dabei werden die Wechselbeziehungen zwischen Fach- und Schreibkompetenzen in Deutsch und der Herkunftssprache Türkisch in Hinblick auf die Entwicklung und Förderung einer bilateralen fachorientierten Gesamtkompetenz untersucht. Die Grundlage der Untersuchung bildet eine interdisziplinäre Analyse von Schüler*innentexten in je zwei naturwissenschaftlich-technischen (Physik und Technik) und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern (Geschichte und Politik). Die Durchführung erfolgt in interdisziplinärer Kooperation der einschlägigen fachdidaktischen Professuren sowie des Instituts für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und des Instituts für Turkistik an der UDE.
Mit seinen unmittelbaren Implikationen für die Lehrer*innenaus- und -weiterbildung sowie die Unterrichtsgestaltung an Schulen in einer vielfältigen Gesellschaft verdeutlicht dieses Projekt beispielhaft, wie Forschung am IfP der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft nachkommt. Um den erfolgreichen Transfer in die Gesellschaft zu befördern, vernetzt die CIVES School of Civic Education im Bereich der Fachdidaktik und der politischen Bildung systematisch universitäre Forschung, schulpraktische Ausbildung, Fortbildung für Lehrer*innen und Schulen in der Region. Eine weitere Einrichtung am IfP, die den Wissenschaftstransfer nachhaltig gewährleistet, ist die NRW School of Governance. Vor dem Hintergrund ihres Selbstverständnisses als Professional School werden dort zahlreiche Formate des Austausches zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft angeboten – wie etwa die Gastprofessur für Politikmanagement der Stiftung Mercator (im Berichtszeitraum: Prof. Gert Scobel, Prof. Rita Süssmuth, Christian Wulff) oder die Weiterbildung zum Master of Public Policy.
Das IfP ist auf transuniversitäre und interdisziplinäre Forschungskooperationen ausgerichtet. Über die oben bereits aufgeführten Beispiele hinaus steht hierfür etwa das vom BMBF geförderte Projekt „Multiple Risiken. Kontingenzbewältigung in der Stammzellforschung und ihren Anwendungen – eine politikwissenschaftliche Analyse“. Das Projekt wird als Beitrag zur Forschung in der Politischen Theorie von Prof. Renate Martinsen in Kooperation mit der Medizinethik und den Rechtswissenschaften an den Universtäten Düsseldorf und Augsburg durchgeführt. Prof. Achim Goerres leitet zusammen mit Kolleg*innen aus der Essener Finanzmathematik und Philosophie seit 2015 das Projekt „Big Risks“, das sich mit der Risikowahrnehmung, -steuerung und -ethik großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel oder Alterung befasst.
Forschungskooperation und gesellschaftlicher Transfer sind auch systematisch in der Zielsetzung einzelner Projekte angelegt. So leitet Prof. Michael Kaeding im Bereich der Area-Forschung das EU-Horizon 2020 Projekt „SEnECA – Strengthening and Energizing EU-Central Asia Relations“ zur Neuausrichtung der Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien. SEnECA verfolgt die Schaffung eines transdisziplinären Netzwerks von Wissenschaftler*innen, die in Zentralasien zu europäischer Integration und in Europa zu Zentralasien forschen. In das Projekt sind neben der UDE und dem Institut für Europäische Politik zehn weitere Institutionen aus Europa und den fünf zentralasiatischen Ländern eingebunden. Die Wissenschaftler*innen begleiten zudem die Überarbeitung der EU-Zentralasienstrategie, die bis 2019 dem EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien vorliegen soll. Dieses Beispiel zeigt: Politikwissenschaft am IfP ist politikwissenschaftlich und politisch relevant.