Digital Humanities

Der freie Zugang zu Forschungsdaten entwickelt sich in allen Fächern zum Zukunftsmodell wissenschaftlichen Publizierens. Initiativen und Förderprogramme haben die Verbreitung und die Sensibilisierung für die Probleme und Chancen von Open Access erhöht. Doch in den Geistes- und Sozialwissenschaften gibt es noch Vorbehalte. Das Projekt OGeSoMo (Förderung von Open-Access-Publikationen in den Geistes- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Monografien) hat das Ziel, Open-Access-Pub­likationen dort im Rahmen der bestehenden fachlichen Publikationskultur auf Seiten von Verlagen und Autor*innen zu initiieren und zu fördern. In Zusammenarbeit mit der UB der UDE, ausgewählten Verlagen, der UA Ruhr und Vertretern aus Disziplinen mit ähnlichen Publikationskulturen werden die zukünftige Ausgestaltung der OA-Förderung von Monografien und Sammelwerken praktisch erprobt und transparente Geschäftsmodelle weiterentwickelt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auch auf mediendidaktischen Potenzialen der Arbeit mit digitalen Publikationen in der Hochschullehre (Dorothee Graf, Universitätsbibliothek, in Zusammenarbeit mit Prof. Beißwenger; Förderung: BMBF).

Die Entwicklung von Plattformen, die Forschungsdaten in Datenbanken digital erfassen und Ergebnisse inner- und außerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft zugänglich machen, prägt bereits jetzt eine ganze Reihe neuer Projekte an unserer Fakultät. So baut das Projekt „Mobile Communication Database“ (Prof. Beißwenger, Prof. Evelyn Ziegler mit Prof. Wolfgang Imo, Marcel Fladrich, Universität Hamburg) eine Datenbank und ein Web-Interface für die spendenbasierte Sammlung digitaler Kurznachrichtenkommunikation (WhatsApp, SMS u.Ä.) als Ressource für die linguistische Forschung und Lehre, für den Schulunterricht und die Förderung sprachlicher Kompetenzen im Kontext von DaF/DaZ auf. Zentrales Merkmal der Verfahren für die Korpuserstellung ist die Einbeziehung der Spender*innen in den Prozess der Datenaufbereitung. Die gespendeten Chat-Verläufe werden pseudonymisiert und um Metadaten angereichert. Sprachtechnologie-Partner liefern Part-of-speech-Annotationen, die die Möglichkeiten der linguistischen Recherche und Analyse erweitern. Das Korpus soll eine Ressource auch für qualitative Untersuchungen zur Sprache und Interaktion in Messaging-Anwendungen bilden. Geplant ist die Integration in die Korpussammlung des IDS Mannheim (Förderung: MKW).

Ebenfalls auf Grundlage einer neuen Datenbank untersucht ein DFG-Projekt von Prof. Alexandra Pontzen, Dennis Borghardt und Sarah Maaß (Germanistik) „Literaturpreise im deutschsprachigen Raum seit 1990: Funktionen und Wirkungen“. Nach konventioneller Lesart beeinflussen solche Preise (zurzeit ca. 900) die Hierarchien des literarischen Feldes. Ihre Zunahme wäre damit als Inflation und Qualitätsverlust zu deuten. Das Projekt untersucht, inwiefern neue Preise der regionalpolitischen Profilierung von Kulturräumen zuarbeiten, sozioökonomische Wandlungsprozesse im literarischen Feld indizieren, literarische und soziopolitische Wertmaßstäbe kombinieren und durch die Nobilitierung neuer Genres, Praktiken und medialer Formate die tradierte Hierarchie der Konsekration auflösen.

Die Möglichkeiten der digitalen Datenerfassung nutzen insbesondere auch historisch arbeitende Fächer. So kombiniert die interdiszi-plinäre Arbeitsstelle „Edition und Editionstechnik (AEET, Prof. Gaby Herchert, Dr. Dirk Haferkamp, Dr. Fisseni; Germanistik) verschiedene Methoden der Datenhaltung und -erschließung. Bisher kaum oder schwer zugängliche Urkunden, Dokumente, Akten, Briefe und (fach)literarische Texte aus Privatarchiven werden digital aufbereitet sowie über Datenbanken und Repositorien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die forschungsorientierte Arbeit bezieht den wissenschaftlichen Nachwuchs ein; Studierende sind an allen Arbeitsschritten der Erschließung und Edition von Archivtexten beteiligt. Die AEET veranstaltet Exkursionen sowie Symposien mit 100 bis 120 Teilnehmer*innen und gibt eigene Monographien und Tagungsbände heraus. Sie kooperiert außerdem mit der Seite Korpora.org (Prof. Schröder, Dr. Fisseni), über die unter anderem das Bonner Frühneuhochdeutschkorpus, Texte von Immanuel Kant sowie Freges „Grundgesetze der Arithmetik“ digitalisiert und online zugänglich gemacht werden.

Ziel des DFG-Projekts „Interaktionale Sprache bei Andreas Gryphius – datenbankbasiertes Arbeiten zum Dramenwerk aus linguistisch-literaturwissenschaftlicher Perspektive“ (Prof. Wesche; Prof. Imo, Universität Hamburg) ist die systematische Untersuchung interaktionaler Sprachlichkeit und literarischer Dialoggestaltung in Gryphius’ Dramenwerk mit Hilfe einer annotierten Datenbank. Erfasst werden alle Dramen des Dichters, um korpusbasiert Strukturen, Funktionen und Reflexionen literarisch stilisierter Mündlichkeit in den Stücken zu erschließen. Die sowohl sprach- als auch literaturwissenschaftlich aufbereiteten Daten ermöglichen es erstmals, ein solches historisches Korpus flächendeckend auf diese Aspekte hin zu untersuchen. Output: Datenbank; Konferenzband „Sprechen und Gespräch. Literatur- und sprachhistorische Zugänge“; Projektband „Interaktionale Sprache bei Andreas Gryphius“.

Ein zweitägiges Fachkolloquium „Integrating a new type of language resource into the Digital Humanities landscape“ befasste sich im Juli 2017 mit Stand und Perspektiven für die Entwicklung von Standards für den Aufbau und die Analyse von Korpora digitaler Kommunikation (Organisation: Prof. Beißwenger und Ciara Wigham PhD, Université Clermont Auvergne). Beteiligt waren Wissenschaftler*innen aus Frankreich, Deutschland, Italien und Slowenien. Zentrale Ergebnisse des Kolloquiums wurden bei der 5. CMCCORPORA-Konferenz 2017 in Bozen präsentiert und sind auf der Website zur Veranstaltung dokumentiert. Auch ein Roundtable im Rahmen der deutsch-französischen Veranstaltungsreihe „Digital Publishing“ wurde 2017 von Beißwenger/Wigham an der UDE organisiert. Thema war der Einsatz kooperativer Schreibtechnologien im E-Learning. Sieben Autor*innen und Autor*innenteams aus Frankreich und Deutschland stellten aktuelle Projekte vor (Förderung: Französische Botschaft Berlin).