Mathematik
Stochastik
Typische Fragestellungen aus der Ökonomie und den Ingenieurswissenschaften erfordern die statistische Analyse großer Datenmengen bei komplizierter Datenstruktur. So erfordern Untersuchungen zum Risikomanagement statistische Analysen und das Schätzen der Parameter von Finanzzeitreihen. Außerdem benötigen Risikomanagement und ökonometrische Analysen aufgrund der hohen Dimensionalität der Datenstrukturen Ansätze zur Dimensionsreduktion. Klassische Verfahren wie PCA (Hauptkomponentenanalyse) oder ICA (Independent Component Analysis) beruhen auf sehr strikten Modellannahmen und sind daher nur bedingt anwendbar. Einen speziellen Datentyp stellen Zeitreihen dar. Häufig werden die interessierenden Größen nur indirekt, etwa vermittelt durch lineare oder nichtlineare Abbildungen, beobachtet. Die Daten können durch Modelle mit unbekannten Parametern erklärt werden, wobei die Bestimmung der Modellparameter oft ein schlecht gestelltes Problem ist. Dies ist auch für viele finanzmathematische Probleme, zum Beispiel die Schätzung und Kalibrierung von Aktienmodellen, charakteristisch. Das Problem der Kalibrierung und der Schätzung von stochastischen Modellen in der Finanzmathematik stellt eine besondere Herausforderung dar, weil die auftretenden inversen Probleme nichtlinear sind. Mit dieser Thematik beteiligt sich die Arbeitsgruppe von Prof. Denis Belomestny mit einem Teilprojekt am DFG-Sonderforschungsbereich 823 „Statistical modelling of nonlinear dynamic processes“, der vor kurzem positiv evaluiert wurde. Hier forschen Mathematiker, Statistiker sowie Wirtschaftswissenschaftler der Universitäten Dortmund, Bochum und Duisburg-Essen gemeinsam. Diese Forschungstätigkeit wurde auch in internationalen Kooperationen mit Prof. Nan Chen (Hong Kong), Prof. Valentine Genon-Catalot (Paris), Dr. Aleksandar Mijatovic (London) verfolgt. Sein Buch, das 2015 erscheint, wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Markus Reiß (Berlin) geschrieben. Im Rahmen der Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Belomestny hat Dr. Mijatovic 2014 ein Humboldt-Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler bekommen. Des Weiteren forscht die Arbeitsgruppe von Prof. Belomestny in die Richtung Numerik der stochastischen Differenzialgleichungen (Prof. Belomestny, Jun.-Prof. Mikhail Urusov), was aktuell ein schnell wachsendes Forschungsgebiet ist. Weitere Forschungstätigkeiten umfassen Risikomanagement (Dr. Volker Krätschmer) sowie Diffusionsprozesse und ihre Anwendungen (Jun.-Prof. Urusov), und es bestehen auch in diesen Gebieten internationale Kooperationen mit London (Prof. Mihail Zervos, Dr. Mijatovic) und Moskau (Prof. Albert Shiryaev).
Die Forschungsaktivität innerhalb der Arbeitsgruppe von Prof. Anita Winter konzentriert sich auf die Analyse von komplex wechselwirkenden stochastischen Systemen, die in der mathematischen Physik und der mathematischen Biologie auftreten. Ein Forschungsschwerpunkt liegt bei Systemen und Fragen, die durch die mathematische Biologie, insbesondere durch die Evolutionstheorie und Zellbiologie, motiviert sind. Dabei werden zum Beispiel Populationen von Individuen betrachtet, die durch einen (biologischen) Typen charakterisiert sind. Innerhalb einer gegebenen geographischen Struktur findet Migration statt. Die Individuen reproduzieren sich mit Raten, die lokal von jeweiligen lebenswichtigen Ressourcen sowie der aktuellen Größe der Populationen abhängen, die um diese Ressourcen (mit-) konkurrieren. Von Interesse ist, unter welchen Bedingungen an die Parameter des Modells Individuen unterschiedlicher Phänotypen auch nach langer Zeit nebeneinander koexistieren können. Mit dieser Thematik beteiligt sich die Arbeitsgruppe am DFG Sonderforschungsbereich/Transregio 12 „Symmetries and Universalities in Mesoscopic systems“ mit einem Teilprojekt „Fluctuations and large deviations in nonequilibrium stochastic dynamics“. Dies ist ein gemeinsames Forschungsprojekt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Mathematik und Physik der Universitäten Bochum, Duisburg-Essen, Köln sowie der LMU München. Viele Mikroorganismen, insbesondere RNA-Viren, evolvieren so schnell, dass Evolution und Epidemiologie auf derselben Zeitskala stattfinden. Die großen Mutations- und Replikationsraten führen zu Diversität, die es erschwert, Epidemien unter Kontrolle zu bekommen. Die Pathogenmuster – und insbesondere die Topologie der Phylogenien – werden von der Stärke des selektiven Drucks, ausgeübt durch die entsprechenden Level von Kreuzimmunität, beeinflusst. Mit Kreuzimmunität wird die Reaktion des Immunsystems des Wirtes bezeichnet, die den Virusstrang sowie ähnliche Varianten bekämpft. Damit verbundene Fragestellungen werden von der Arbeitsgruppe in einem Teilprojekt „Modelling of evolving phylogenies in the context of phylogenetic pattern“ in dem DFG-Schwerpunktprogramm SPP 1590 „Probabilitstic Structures and Evolution“ untersucht. Diese Forschungstätigkeit wird in engen internationalen Kooperationen (Frankreich, Indien, Israel, Kanada, Singapur) verfolgt.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Martin Hutzenthaler studiert die Regularität und effiziente Approximation von stochastischen (partiellen) Differentialgleichungen. Da Erwartungswerte der Lösungen meist nicht mit optimaler Rate mit dem Euler-Verfahren approximiert werden können, steht die Erforschung effizienterer Verfahren im Mittelpunkt. Grundlegend hierfür ist das Verständnis der zeitlichen und räumlichen Regularität der Lösungen von stochastischen Differentialgleichungen. Ein bedeutendes Beispiel ist das Heston model, das in der Finanzbranche tagtäglich approximiert wird, um Preise von Optionen festzulegen. Des Weiteren erforscht die Arbeitsgruppe selektiven Druck auf räumlich strukturierte Populationen. Im Teilprojekt „Evolution of altruistic defense traits in structured populations“ im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 1590 „Probabilistic Structures and Evolution“ werden Modelle für Erbmaterial untersucht, dessen Träger trotz verringerter Reproduktionsrate durch ein für die umgebende Population vorteilhaftes Verhalten einen selektiven Vorteil erlangen.