Essener Kolleg für Geschlechterforschung

Forschung

Im Fokus des interdisziplinären Forschungsprogramms des Kollegs liegen die Erarbeitung eines differenzierten Verständnisses von bio­logischen Phänomenen und gesellschaftlichen Zusammenhängen sowie die Erhellung ihrer Hintergründe. Dies geschieht aktuell in vier übergreifenden Forschungsclustern. Die Cluster bearbeiten zentrale gesellschaftliche Fragen unter Einbezug historischer, kulturwissenschaftlicher und intersektionaler Perspektiven. Als integrative Oberthemen, unter denen sich Forschungs-, ­Promotions- und Habilitationsvorhaben verorten lassen, bieten sie zugleich universitätsweit Anknüpfungspunkte für gemeinsame Forschung. Einen guten Überblick über zentrale Forschungsthemen der einzelnen Cluster gibt das vom Kolleg im Sommer 2012 herausgegebene UNIKATE Themenheft 41 Geschlechterforschung. Blick hinter die Kulissen. Essen: Universität Duisburg-Essen http://www.uni-due.de/unikate/archiv.php?eu=041.

Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung | Geschlechtergerechtes Gesundheitswesen

In vielen Bereichen des Gesundheitswesens ist die Relevanz biologischer, soziokultureller und psychologischer Geschlechteraspekte im Hinblick auf eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung evident. Die Forschung in ­diesem Cluster (verantwortlich PD Dr. Andrea Kindler-Röhrborn und Prof. Sigrid Elsenbruch) trägt der wachsenden Bedeutung fundierter ­Ergebnisse der Geschlechterforschung in allen Bereichen des Gesundheitswesen Rechnung – ­gerade angesichts einer Entwicklung hin zu einer personalisierten Medizin und Pharmakotherapie.

2012 und 2013 wurden bestehende Kooperationen intensiviert und zusätzliche Drittmittel von Bundesministerien und DFG eingeworben: Im Rahmen des BMBF-Verbundes „Geschlechtersensible Forschung in Epidemiologie, Neurowissenschaften und Genetik/Tumorforschung“ sowie ­eines weiteren BMBF-Kooperationsprojekts zur Entwicklung geschlechtersensibler Lehrmodule in der Medizin wurden die Zusammenarbeit mit der Universität Münster und dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) fortgesetzt sowie ein weiterer gemeinsamer Antrag erarbeitet. Zwei Teilprojekte der DFG-Forschergruppen 1581 „Extinction Learning: ­Behavioural, Neural and Clinical Mechanisms“ und FOR 1328 „Erwartungen und Konditionierung als Basisprozesse der Placebo- und Nocebo-­Reaktion: Von der Neurobiologie zur klinischen Anwendung“ wurden erfolgreich verlängert. Im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich verfolgt das BMAS-Projekt „Gesunde und attraktive Arbeit für Altenpflegerinnen“ das Ziel, Strategien und Maßnahmen zur Sicherung der beruflichen ­Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft von älteren weiblichen Pflegekräften der Betriebs­partner zu entwickeln.

Forschung in diesem Cluster wird flankiert von intensiven Vernetzungsaktivitäten im Rahmen der Initiative des Kollegs zum Aufbau eines interdisziplinären ExpertInnen-Netzwerks zur Geschlechterforschung im Gesundheitswesen in Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel einer bundesweiten Vernetzung.

Karrierewege | Karrierewelten

Karrieren als Wege im Leben, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Lebenswelt möglich sind oder unmöglich erscheinen, sind verbunden mit Vorstellungen von sozialer Herkunft bzw. Milieu­zugehörigkeit, mit Bildung und den damit möglichen Aufstiegschancen, mit dem Erwerb von übergreifenden Kompetenzen durch Frauen und Männer sowie Fragen der generellen Lebensgestaltung. Die interdisziplinäre Ausrichtung des Clusters (verantwortlich Prof. Amalie Fößel und Prof. Anne Schlüter) beleuchtet die Fragestellung aus historischer und gegenwärtiger kultureller und interkultureller Perspektive.

Im Rahmen verschiedener BMBF, DFG, vom Land NRW und durch Stiftungen geförderter Projekte in diesem Bereich untersuchen Mitglieder des Kollegs (Un-)Gleichheiten zwischen Frauen und Männern an Hochschulen, Studienfach­kulturen, Karrierevorstellungen und -verläufe von Studentinnen und Hochschulabsolventinnen sowie die Wirksamkeit von Mentoring im Übergangsprozess Studium und Beruf. Zu aktuellen Forschungsvorhaben in diesem Cluster zählen ferner ein Habilitationsprojekt zu Kreuzfahrerfrauen als Regentinnen auf Zeit im hohen Mittelalter, die Aufdeckung des Karrierewegs einer ­vergessenen australischen Künstlerin sowie ausgewählte Dissertationsprojekte im Rahmen des 2013 unter Mitwirkung von Prof. Amalie Fößel gestarteten DFG-Graduiertenkollegs 1919 „Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage“ des Historischen Instituts.

Erwerbs- und Fürsorgearbeit

Thema dieses Clusters (verantwortlich Prof. Christine Wimbauer und Dr. Ute Pascher-Kirsch) sind die Rahmenbedingungen und Auswirkungen von Wirtschafts- und Sozialpolitik und deren entsprechende gesetzliche Vorgaben auf eine ­geschlechtergerechte Gestaltung der beiden großen sozio-ökonomischen Bereiche der Fürsorgearbeit und der Erwerbsarbeit. Dabei stehen die Berücksichtigung der wechselseitigen Abhängigkeit ­beider Bereiche und deren Auswirkungen auf das Verhältnis der Geschlechter im Vordergrund.

Gefördert durch die DFG erarbeiten Mitglieder des Kollegs, wofür sich Ehe-Partner gegenseitig anerkennen, welche sozialen Ungleichheiten sich zeigen und in welchem Verhältnis Liebe und Leistung stehen. Das MERCUR-Projekt „Väter in Elternzeit. Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Paar und Betrieb“ wird ab ­Februar 2014 die Gründe für die Unterschiede der Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter, deren Chancen und Grenzen hinsichtlich Bildung, Einkommen, Migrationshintergrund sowie ­regional innerhalb Deutschlands, untersuchen. Auf internationaler Ebene analysieren EKfG-­Mitglieder die Lohneffekte flexibler Beschäftigungsverhältnisse für Frauen in Spanien und sind in der Koordination des Regional Studies Association Research Network „Entrepreneurship, Gender and Structural Transformation“ aktiv.

Ausgewählte Dissertationsvorhaben beschäftigen sich mit Lebensgeschichten von Vätern mit eigener und/oder familiärer türkisch-deutscher Migrationserfahrung, dem Wandel von Männ­lichkeit(en) in der Wissensökonomie sowie ­forschungsorientierter Gleichstellungspolitik. Seit 2013 erarbeiten Promovierende dreier Hochschulen im Rahmen des Promotionskollegs „Leben im transformierten Sozialstaat (TransSoz): ­Zielgruppenspezifische Reformwirkungen und Alltagspraxen“ (Ko-Sprecherin Prof. Ute Klammer), wie sich veränderte sozialpolitische Maßnahmen und Leistungen auf die Lebensführung von Jugendlichen, älteren Menschen, Erwerbstätigen, Eltern, Menschen mit Pflegeverantwortung sowie Migrantinnen und Migranten auswirken.

Wahrnehmung | Repräsentation | Sichtbarkeit

Dieses Forschungscluster (verantwortlich Prof. Patricia Plummer) bündelt Forschungsansätze, die genderspezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung, Repräsentation und (Un-)Sichtbarkeit von Frauen und Männern in Sprache und Bildern bearbeiten. In den vertretenen Fächern und Disziplinen werden diese Fragestellungen unter anderem in Literatur, Kunst und Sprache sowie in Gesellschaft, Medien und Politik untersucht. Projekte von Mitgliedern schließen die Beteiligung am internationalen interdisziplinären Forschungsnetzwerk „Gender and Sexuality in (Neo-)Orientalism and Occidentalism:

An Entangled History of European and Middle Eastern Identity Discourses“, gefördert von der Netherlands Organisation for Scientific Research NWO, sowie das in Vorbereitung befindliche ­Forschungsprojekt „Gendering Muslim Identities“ ein. Ausgewählte Promotionsprojekte untersuchen Geschlechterstereotype bei der Produktion und Rezeption von Profilen in Online Businessnetzwerken, die Wirkung des Stylings auf die Beurteilung von weiblichen Führungskräften und die Repräsentationen von Gender in Post-Colonial Arab Literature.

Jenseits der genannten Cluster unternimmt ein BMBF-Projekt unter Beteiligung von Prof. Gisela Steins eine differenzierte Analyse der aktuellen Ungleichzeitigkeiten von Geschlechterkonzepten im Bildungsbereich, die auf einer Ebene weiterhin auf eine Minderung traditioneller ­Geschlechterunterschiede zielen, während auf anderer Ebene eine Tendenz zu deren stärkerer Betonung festzustellen ist.

Zukunftsbereich „Diversityforschung“

Als neue Herausforderung sieht das Kolleg die Sichtbarmachung des Geschlechterverhältnisses in der breitgestreuten Diversityforschung an der Universität sowie deren wachsende Vernetzung. Als Partner der Initiative Diversityforschung an der Universität Duisburg-Essen ist das EKfG zusammen mit der Professur Postcolonial Studies und dem Prorektorat Diversity Management maßgeblich daran beteiligt, Forschungsschwerpunkte zu identifizieren und gemeinsame Forschungsverbünde zu ermöglichen. Wichtige Grundlage hierfür stellt eine Datei mit den dienstlichen Kontaktdaten, Forschungsinteressen, Projekt- und Publikationsangaben von rund 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die das EKfG 2012 im Rahmen der unter seiner Leitung universitätsweit durchgeführten Erhebung zur „Diversityforschung“ an der Universität Duisburg-Essen zur systematischen Erfassung von Forschung zu sozialer, kultureller, ethnischer und religiöser Vielfalt bzw. Heterogenität aufgebaut hat.