Urbane Systeme
Im Folgenden kann nur über einige wenige ausgewählte Projekte und Aktivitäten im Profilschwerpunkt berichtet werden.
Nachhaltiges urbanes Landmanagement
Ein hervorragendes Beispiel für die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „KuLaRuhr: Nachhaltige urbane Kulturlandschaft in der Metropole Ruhr“: Die Umnutzung ehemaliger Bergbau-, Industrie- und Gewerbeflächen und damit einhergehende Herausforderungen im Bereich der Infrastruktur (Wasser- und Energiewirtschaft, Logistik und Verkehr) sowie die Bemühungen zu einer nachhaltigen Entwicklung der Region prägen das heutige Erscheinungsbild der Metropole Ruhr. Das Ziel des Verbundvorhabens ist die Planung, Entwicklung, Verknüpfung und exemplarische Umsetzung von Flächennutzungen im Modellraum Metropole Ruhr und seiner Peripherie, die zu einem nachhaltigen Einsatz der Ressourcen Fläche, Wasser und Energie beitragen und so die Attraktivität einer Region und damit ihre Lebensqualität steigern. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung dezentraler Systeme, die auf zentrale Systeme abgestimmt sind, und einer Nutzung von Synergieeffekten im Bereich Wasser, Energie und Landmanagement. Vor diesem Hintergrund bearbeitet das transdisziplinär angelegte Verbundvorhaben – einzeln und in Kombination – technische, ökologische, ökonomische, logistische, juristische und soziologische Fragestellungen. Vier Universitäten (Duisburg-Essen, Darmstadt, Bochum und Kassel), der RVR, die Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH, die Landwirtschaftskammer NRW, die Stadt Bottrop, das Ruhr Institut sowie die Rechtsanwaltskanzlei Heinemann & Partner arbeiten in KuLaRuhr zusammen. Das Zentrum für Wasser- und Umweltforschung der UDE koordiniert dieses Projekt.
Innovative Technologien zur Energiespeicherung in urbanisierten Bergbauregionen
Ein weiteres wegweisendes Projekt, gefördert von der Stiftung Mercator und dem Land Nordrhein-Westfalen, verbindet Energieforschung, Geologie und Geotechnik sowie Wasserbau und Wasserwirtschaft in der Erforschung der wirtschaftlichen und technologischen Potentiale von Unterflurpumpspeicherkraftwerken. Durch den wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien in der Energieerzeugung müssen die dadurch zunehmenden Schwankungen des Angebots von Wind- und Sonnenenergie dauerhaft ausgeglichen werden. Das Problem der Speicherung ist jedoch bisher ungelöst. Neben neuen Speichertechnologien bietet sich durch Unterflur-Speicherkraftwerke eine weitere interessante Möglichkeit an.
In Kooperation mit der Ruhrkohle AG untersucht ein interdisziplinäres Forscherteam aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften, in wie weit ehemalige Schachtanlagen des Steinkohlenbergbaus und entkohlte Braunkohletagebaue zur Aufnahme von Speicherräumen genutzt werden können.
Logistik- und Verkehrsforschung in Urbanen Systemen
Bezogen auf die Kompetenzen der Logistik- und Verkehrswissenschaften in urbanen Systemen haben sich, koordiniert im Zentrum für Logistik und Verkehr, in den letzten Jahren sowohl herausragende grundlagenorientierte als auch exzellente anwendungsnahe Forschungsarbeiten etabliert, von denen im Folgenden ausgewählte Beispiele genannt werden.
Grundlagenbetont sind etwa Anwendungen mathematischer Methoden zur Analyse, Modellierung und Optimierung komplexer Ströme und Netze in urbanen Systemen (Transport von Gütern, Personen, Energie und Informationen). Herausragende Beispiele sind hier der seit fünf Jahren aufgebaute Schwerpunkt im Bereich des Disaster Managements, insbesondere zu Evakuierungsplanungen in Ballungsräumen, oder die Analyse und das Management von komplexen Daten für die Verkehrsprognose – zum Beispiel mit einem Teilprojekt im SFB 876 „Verfügbarkeit von Information durch Analyse unter Ressourcenbeschränkung“ (TU Dortmund/UDE).
Herausragende praxisorientierte Forschung über die Gestaltungsmöglichkeiten der Logistik für die Beantwortung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen (zum Beispiel das Spannungsdreieck aus Urbanisierung, Individualisierung und Umwelt-/Ressourcenschutz) wird seit 2010 in Deutschlands einzigem BMBF-Spitzencluster für Logistikforschung, dem EffizienzCluster Logistik Ruhr, gebündelt. Die UDE forscht hier als die neben dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (Dortmund) tragende wissenschaftliche Säule mit insgesamt rund zehn Forschungsprojekten. Zusammen genommen bündelt der Cluster 30 Projekte von elf Forschungsinstitutionen und 124 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, angefangen mit regionalen kleinen und mittelständischen Firmen bis hin zu den größten weltweit operierenden Logistikern, wie die Deutsche Post AG/DHL. Neben technikbetonten Projekten (wie zur Weiterentwicklung von Verkehrs-Navigationssystemen oder zu neuen Verfahren kameragestützter Analyse logistischer Systeme) ist die UDE mit einem eigenen integrierten Forschungsansatz zur ganzheitlichen Gestaltung und Steuerung von Logistiknetzwerken vertreten. Der Ansatz „Supply Chain Governance“ integriert einen Dreiklang aus Verantwortungsstrategien zur nachhaltigen Entwicklung (Corporate Responsibility), Etablierung neuer Kompetenzentwicklungs- und Wissenstransferkonzepte sowie organisatorische Innovation im Supply Chain Management mit Konzepten der „Guten Regierungskunst“ (Good Governance) und ist in dieser Breite und Kombination einzigartig.
Im europäischen Kontext beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher des ZLV gefördert durch das EU-Interreg-Programm mit der Entwicklung der Schienennetze auf der transeuropäischen Verkehrsachse (TEN-V, Projekt Code24). Der bedeutende Nord-Süd-Korridor führt von Rotterdam bis Genua. Die Forschungsaktivitäten stehen damit in einem Zusammenhang der verkehrlichen Vernetzung zentral bedeutsamer Ballungsräume mit rund 70 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Um Forschung und Entwicklung grundlegend neu zu justieren und durch Kooperationen zielgerichtet thematisch zu erneuern, arbeiten zudem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZLV im „Wissensregionen“-Programm der EU im Projekt „LOG4GREEN“ an der Vergleichbarkeit europäischer Logistikregionen und ihrer Innovationspotenzale hinsichtlich nachhaltiger Transporte und Logistik. Ziel eines Konsortiums bestehend aus dem Ballungsraum Ruhrgebiet, den Hafenstädten Antwerpen, Odessa und Istanbul sowie den Regionen Kärnten und der Normandie, sind gemeinsame Forschungs- und Aktionspläne mit hohem Einfluss auf die europäische Forschungs- und Wirtschaftsprogrammatik.
Stadtentwicklung und Klimawandel Megacities in China
Städte haben heutzutage infolge spezifischer Strukturen und Formen einen extrem hohen Energieverbrauch und damit auch wachsende CO2-Emissionen. Urbane Lebensformen haben damit einen wichtigen Einfluss auf den Klimawandel. Wirtschaftswachstum hat in der Regel seinen Ursprung in diesen großen Städten, denn sie sind Orte von Innovation und Fortschritt, benötigen aber auch große Mengen Energie und anderer Ressourcen. Doch sie enthalten zugleich auch ein ungeahntes Potenzial zur Energieeinsparung. Gerade in den Schwellenländern Asiens, in denen infolge der Landflucht die Städte zu Megacities und Gigacities wachsen, besteht die Aufgabe, irreversible Urbanisierungsprozesse in eine klimaverträgliche Richtung zu lenken.
Vor diesem Hintergrund hat das BMBF im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Future Megacities“ seit 2005 das Forschungsprojekt „Integrierte Ansätze zur nachhaltigen und energieeffizienten Stadtentwicklung – Stadtform, Mobilität, Gebäude, Wohnen“ gefördert. Im Rahmen des Projekts wurden große Stadtentwicklungsvorhaben in Shanghai begleitet. Eine wesentliche Aufgabe des Projekts war einerseits die Entwicklung und Anwendung eines LowCarbonIndex (LCI®), eines wissenschaftlich untermauerten Planungswerkzeugs zur Unterstützung der Energieeffizienz auf allen Planungsebenen, um bereits in frühen Planungsphasen die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit des urbanen Systems zu berücksichtigen. Andererseits konnte ein Monitoring Tool, der Energy Efficiency Controller (EEC®) entwickelt und vor Ort mit Sensoren und Smart Meters installiert werden, um die Energieeffizienz der realisierten Gebäude und der Mobilität zu überprüfen oder Maßnahmen zur Nachsteuerung umzusetzen. Das Projekt wird vom Institut für Stadtplanung und Städtebau der Universität Duisburg-Essen (ISS) inhaltlich und organisatorisch geleitet. Auf deutscher Seite gibt es Verbundpartner aus Wirtschaft und Wissenschaft, Kooperationen auf chinesischer Seite sind mit der Tongji Universität, Planern der Stadt Shanghai sowie verschiedenen regionalen Forschungsinstituten etabliert. Mögliche Folgeprojekte sind seit 2011 in der Akquisephase.
Energieeffizienz und Klimakultur in Essen
Energieeffiziente Stadtentwicklung wird nicht nur durch die gebaute Umwelt, die Technologieentwicklung, die Ökonomie oder die Politik bestimmt, sondern auch durch die Dynamik sozialer und kultureller Parameter. Der Grundgedanke der vom BMBF im Rahmen des gewonnenen Wettbewerbs „Energieeffiziente Stadt“ geförderten „Klima-Initiative Essen – Handeln in einer neuen Klimakultur“ geht davon aus, dass die Klimaverträglichkeit einer Stadt erst durch ein komplexes Zusammenwirken der genannten Faktoren realisiert werden kann. Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze stellen komplementäre Bausteine des Projekts dar. Eine Klimaagentur koordiniert einerseits die unterschiedlichen sozio-kulturellen Ansätze, um klimafreundliches Verhalten bei der Bevölkerung anzustoßen, andererseits die professionelle Beratung der Bürger bei baulichen Maßnahmen. Der partizipatorische Ansatz zielt darauf, die CO2 Emissionen gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 um 40 % zu senken. Dabei werden milieuspezifische Ansätze zur Aktivierung von Bürgern und die kommunalen Akteure in den Handlungsfeldern Stadtentwicklung, Mobilität, Gebäude und erneuerbare Energien genutzt, um Dienstleistungsangebote zu entwickeln und Netzwerke aufzubauen.
Die Klima-Initiative Essen ist ein Projekt der Stadt Essen in Kooperation mit dem Institut für Stadtplanung und Städtebau und dem Zentrum für Logistik & Verkehr der Universität Duisburg-Essen, dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen, den Stadtwerken Essen, der Essener Verkehrs-AG, der Allbau AG und der Transportation Research and Consulting GmbH.
Stadt und Mobilität
Mobilität und Stadtentwicklung stellen sich als „siamesische Zwillinge“ dar: Stadt formt Mobilität – Mobilität formt Stadt. Vor diesem Hintergrund hat das angewandte Forschungsprojekt „Neue Verkehrskonzepte in der Stadt der Zukunft“, gefördert durch die Stiftung Mercator, das Ziel, Leitbilder der Stadtentwicklung und des Städtebaus mit aktuellen Szenarien der Mobilität wie beispielsweise Elektromobilität, Smart Mobility, Radfahrer- und Fußgängermobilität zu verschneiden, Wirkungszusammenhänge darzustellen und zu bewerten. Nicht die Mobilität soll ungehindert – wie in den vergangenen 100 Jahren – die Stadtentwicklung bestimmen, es sollen vielmehr in einem Dialog optimierte und politisch denkbare Alternativen entwickelt werden. Damit sollen neue Impulse für die zukunftsorientierte Stadtentwicklungs- und Mobilitätspolitik der Region gegeben werden. Im Forschungsteam kooperieren das Institut für Stadtplanung und Städtebau, Transportation Research and Consulting GmbH sowie das Kulturwissenschaftliche Institut.
Internationales interdisziplinäres Promotionsprogramm „ARUS“
Eine wesentliche Klammer für zahlreiche Disziplinen im Profilschwerpunkt und ein zentrales Element der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Profilschwerpunkt bildet das seit 2010 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst geförderte internationale und interdisziplinäre Promotionsprogramm „ARUS – Advanced Research in Urban Systems“. Von mehreren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten getragen, ermöglicht dieses Programm die enge fachliche Betreuung hervorragender Promovierender mit wegweisenden Promotionsprojekten zu zentralen urbanen Fragestellungen und Problemen, die häufig an den Grenzen zwischen den Disziplinen angesiedelt sind und nur in einem solchen interdisziplinären Forschungsverbund angemessen bearbeitet werden können. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des Programms haben vielfach bereits im ersten Jahr der Förderung bei internationalen Tagungen ihre Ergebnisse vorgestellt und in internationalen Zeitschriften und Forschungsbänden publizie