Institut für Entwicklung und Frieden
Zentral für die Arbeit des INEF ist die Auseinandersetzung mit Phänomenen der Globalisierung, so etwa Klimawandel, transnationale Migration und jüngst die Weltfinanzkrise. Diese Entwicklungen setzen nationale und internationale Politiken unter erheblichen Anpassungsdruck und erfordern neue Gestaltungs- und Steuerungsformen. Den entsprechenden Wandlungsprozessen spürt das INEF in seiner viel beachteten Publikationsreihe Globale Trends nach, die es gemeinsam mit der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) herausgibt. Darin werden in Abständen von zwei bis drei Jahren politische, ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen analysiert und nicht nur nach dem Zustand globalen Regierens (Global Governance) gefragt, sondern auch Perspektiven künftiger Entwicklungen aufgezeigt. Die neueste Ausgabe Globale Trends 2010 analysiert die sich abzeichnenden Trends "im Schatten der Weltfinanzkrise", die internationale Politik langfristig beeinflussen und oftmals neue Formen der Problemlösung erfordern.
Auf der Suche nach neuen Formen der Problembearbeitung werden in den letzten Jahren zunehmend auch private Akteure einbezogen. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre engagieren sich verstärkt so genannte Public-Private-Partnerships (PPPs) in zahlreichen internationalen Politikfeldern wie Gesundheit, Wasser/Umwelt, Nahrung. Dabei handelt es sich um inhaltlich fokussierte Initiativen, bei denen staatliche und nicht-staatliche Akteure gemeinsam Entscheidungen treffen, um konkrete Problemstellungen zu bearbeiten. Interessant ist jedoch, dass PPPs auch zur Weiterentwicklung von Normen und Standards beitragen. Das INEF untersucht in diesem Zusammenhang insbesondere die Rolle privater Stiftungen im Hinblick auf deren Einfluss bei der Gestaltung globaler Gesundheitspolitik.
Auf einen anderen Typ privater Akteure, nämlich Unternehmen, konzentriert sich ein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziertes Forschungsvorhaben zum Thema "Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und nachhaltige Entwicklung". Ziel des Projekts ist es, Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer menschenrechtlichen Verantwortung zu unterstützen und noch stärker in Prozesse der nachhaltigen Entwicklung einzubinden. Hierzu werden zum einen die Möglichkeiten für einen verbesserten Einsatz vorhandener völkerrechtlicher Instrumente für den Schutz der Menschenrechte untersucht. Zum anderen konzentriert sich das Projekt auf die Frage, inwiefern sowohl staatliche Instrumente für die Einhaltung von Menschenrechtsstandards durch Unternehmen effektiver eingesetzt werden können, als auch bestehende freiwillige Instrumente und Initiativen für die menschenrechtliche Unternehmensverantwortung in Entwicklungsländern ausgeweitet werden können.
Ebenfalls mit der Rolle privater Akteure beschäftigt sich ein im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm geförderter dreijähriger Projektverbund von europäischen Universitätseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, an dem auch das INEF seit April 2008 beteiligt ist. Das Projekt "International Civil Society Forum on Conflicts" (INFOCON) geht der Frage nach, wie transnationale Migrantengemeinschaften und ihre zivilgesellschaftlichen Organisationen dabei helfen können, Konflikte in Europa und in den jeweiligen Herkunftsregionen zu verhindern und zu lösen. Das INEF ist für die Erstellung einer Fallstudie zu Berlin zuständig. Weitere Studien werden parallel in Amsterdam, Brüssel und London durchgeführt. Der innovative Ansatz des Projekts beruht darauf, dass neben den beteiligten Universitäten auch Organisationen aus der Zivilgesellschaft in allen Projektphasen involviert sind und so direkt durch die gewonnenen Erkenntnisse in ihrer Arbeit unterstützt werden.
Traditionell werden in den Sozialwissenschaften staatliche von nicht-staatlichen Akteuren unterschieden. In fragilen Staaten und in Nachkriegsgesellschaften lassen sich allerdings oft politische Formationen beobachten, die sich in diese Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft nicht einordnen lassen. In diesen hybriden politischen Ordnungen wird politische Steuerung durch eine Mischung von Institutionen und Akteuren ausgeübt, die sich teils dem formalen Staat und teils informellen gesellschaftlichen Strukturen zuordnen lassen. Dies widerspricht unserer Idealvorstellung vom Staat als oberster politischer Instanz, die Dreh- und Angelpunkt staatlicher Aufbauaktivitäten der internationalen Gemeinschaft ist. So ist die bislang ungelöste Frage, wie diese hybriden Ordnungen entstehen und funktionieren, auch von außerordentlicher Aktualität und von großer praktisch-politischer Bedeutung.
Die Forschungen zu "Hybriden politischen Ordnungen in fragilen Staaten" werden seit 2007 in einem Austausch mit dem Australian Centre for Peace and Conflict Studies (ACPACS, University of Queensland) durchgeführt. Damit schließen diese Arbeiten an ein von der Deutschen Stiftung Friedensforschung finanziertes Projekt an, in dem 2005 bis 2006 lokale politische Ordnungen in Somalia und Afghanistan untersucht wurden. In diesem Kontext entstand auch eine intensive Zusammenarbeit mit dem Crisis States Programme der London School of Economics and Political Science (LSE), die sich mittlerweile auch auf die Rolle von Regionalorganisationen bei der Krisenfrühwarnung und Stabilisierung von Krisenregionen erstreckt. Das INEF bringt seine Erfahrungen aus diesen und weiteren Fällen in Afrika und Südasien ein, während das ACPACS-Team über Expertise zu mehreren Ländern des Südpazifiks verfügt. Dank einer Finanzierung des DAAD und der "Group of Eight", eines Konsortiums der führenden australischen Universitäten, werden Wissenschaftler von INEF und ACPACS 2010 bis 2011 bei wechselseitigen Besuchen die Gelegenheit haben, das empirische Material systematisch auszuwerten, um dadurch unter anderem Erkenntnisse über die Legitimität dieser hybriden Formationen zu gewinnen.